22.11.12007, 00:42
Aber ich ging nicht sehr weit. Während ich sorgfältig darauf achtete, dass mich niemand vom Heiligtum beobachten konnte, glitt ich einen gewundenen Pfad hinunter zur Bucht, versteckte Speer und Schwert hinter einem Felsen und legte mich unter einem Felsvorsprung in den warmen gelben Sand. Thetis. Thetis.
Sie war wirklich von einer Meeraura umgeben. Ich ertappte mich bei dem Wunsch zu glauben, dass sie tatsächlich die Tochter eines G*ttes war, denn ich hatte zu tief in diese Chamäleonaugen geblickt, hatte all die Stürme und Flauten erblickt, die mit dem Meer verbunden sind, hatte den Widerschein eines kalten Feuers entdeckt, das sich jeglicher Beschreibung entzog. Und ich wollte sie zur Frau haben.
Auch sie interessierte sich für mich; ich war alt und erfahren genug, um dies zu spüren. Die Frage war nur, wie stark ihre Zuneigung wohl sein mochte; eine Stimme in mir warnte mich vor einer Niederlage. Thetis würde mich ebenso wenig heiraten wie die anderen Freier, die um sie geworben hatten. Obwohl ich durchaus nicht Männern zugetan war, hatte ich mir nie besonders viel aus Frauen gemacht, außer dass ich bei ihnen Befriedigung für jenen Trieb suchte, unter dem selbst die größten Götter so schmerzhaft wie die Menschen leiden. Gelegentlich schlief ich mit einer der Frauen aus meinem Palast, aber bis jetzt hatte ich noch nie geliebt. Ob sie es wusste oder nicht, Thetis gehörte zu mir. Und da ich der Neuen Religion in allen Geboten folgte, würde sie keine andere Frau neben sich dulden müssen. Ich würde nur der Ihre sein.
Die Sonne brannte immer stärker auf meinen Rücken. Es wurde Mittag; ich zog meinen Jagdanzug aus, damit Helios Strahlen tief in meine Haut eindringen konnten. Aber ich konnte nicht stillliegen, musste mich aufrichten und hinaus aufs Meer starren, das ich für mein neues Ungemach verantwortlich machte. Dann schloss ich die Augen und kniete nieder.
„Vater Zeus, blicke gnädig auf mich herab! Nur wenn ich wirklich nicht mehr weiter wusste und in großer Not war, habe ich bislang zu dir gebetet, wie ein Mann, der die Unterstützung seines Großvaters sucht. Aber genauso bete ich jetzt, flehe jenen Teil von dir an, der am freundlichsten und großherzigsten ist. Du hast mir immer dein Ohr geliehen, denn ich habe dich nie mit Kleinkram behelligt. Jetzt bitte ich dich: Hilf mir! Gib mir Thetis, wie du mir Iolkos und die Myrmidonen gegeben hast, wie du ganz Thessalien in meine Hände gelegt hast. Gib mir eine Königin, die auf den Myrmidonenthron passt, gib mir starke Söhne, die meine Platz einnehmen, wenn ich tot bin.“
Mit geschlossen Augen kniete ich eine ganze Weile. Als ich mich erhob, stellte ich fest, dass sich nichts verändert hatte. Aber das war zu erwarten; die Götter vollbringen keine Wunder, um damit Menschen zum Glauben zu bekehren.
Dann sah ich sie. Sie stand da, ihr dünnes Kleid wie ein Banner im Wind flatternd, ihr Haar kristallen in der Sonne, ihr Gesicht verzückt emporgereckt. Neben ihr stand das weiße Bullenkalb, und in der rechten hielt sie einen Dolch. Still fügte sich das Tier in sein Schicksal, legte sich sogar über ihr ihre Knie, als sie sich am Rand der Wellen niederkauerte, und ließ sich ohne Widerstand die Kehle durchtrennen. Dann hielt sie es, während leuchtende Purpurstreifen über ihre Schenkel und bloßen Arme liefen. Das Wasser um sie herum färbte sich schwach rot, als die Flut das Blut des Kalbes mit sich nahm.
Sie hatte mich nicht gesehen, sah mich auch nicht, als sie nun weiter ins Wasser glitt, wobei sie das Kalb mit sich zog, bis sie tief genug in den Wellen war, um sich den Körper um die Schultern zu legen und hinauszuschwimmen. In einiger Entfernung vom Ufer streifte sie das Tier von ihren Schultern, und es versank sofort. Ein großer, flacher Felsen ragte aus dem Wasser; auf den hielt sie nun zu, kletterte hinauf und hob sich dann wie eine Silhouette von dem blassen Himmel ab. Schließlich legte sie sich auf den Rücken, bettete den Kopf in ihre im Nacken gekreuzten Arme und schien schlafen zu wollen.
Ein seltsames Ritual, das nicht zur Neuen Religion passte. Thetis hatte meine Opfergabe im Namen von Poseidon angenommen, hatte sie dann aber Nereus dargeboten. Ein Sakrileg! Und sie war die Hohepriesterin Poseidons. Oh, Lykomedes, du hattest recht! In ihr schlummern die Samen für die Zerstörung von Skyros. Sie gibt dem Heern der Meere nicht, was ihm zusteht, und sie respektiert ihn auch nicht als den Beweger der Erde.
Die Luft war milchig und still, das Wasser hell und klar, aber als ich zu den Wellen hinabging, zitterte ich wie im Fieber. Das Meer konnte mich nicht abkühlen, als ich schwamm; Aphrodite hatte mich so fest im Griff, dass sie mir die Knochen hätte brechen können. Thetis gehörte mir, und ich wollte sie haben – egal, was mit dem armen Lykomedes und seiner Insel geschah.
Als ich den Felsen erreichte, fasste ich mit den Händen eine vorstehende Kante und zog mich so heftig empor, dass meine Muskeln schmerzten. Ich hockte über ihr auf dem Stein, noch bevor sie erkannte, dass ich mich durchaus nicht auf dem Weg zum Palast über Skyros gemacht hatte. Aber sie schlief nicht. Ihre sanften, träumerisch grünen Augen standen offen. Dann wich sie vor mir zurück und starrte mich düster an.
„Rührt mich nicht an! „ sagte sie schwer atmend. „Niemand wagt es, mich zu berühren! Ich habe mich G*tt geweiht.“
Meine Hand zuckte vor, hielt knapp vor ihrem Fußgelenk inne.
„Euer Versprechen an G*tt ist nicht für die Ewigkeit, Thetis. Ihr seid frei zu heiraten. Und ihr werdet meine Frau.“
„Ich gehöre meinem G*tt!“
„Und wenn, welchem G*tt? Leistet Ihr dem einen Lippendienste und opfert dem andern? Ihr gehört zu mir, und ich nehme es mit allen auf. Wenn ein G*tt - welcher auch immer! dafür meinen Tod verlangt, werde ich dieses Urteil akzeptieren.“
Mit einem Aufschrei der Verzweiflung und des Schreckens versuchte sie, vom Felsen ins Meer zu gleiten. Aber ich war schneller, ergriff ihr Bein und zog sie zurück, während ihre Fingernägel über die rauhe Oberfläche des Steines kratzten. Als ich ihr Handgelenk zu fassen bekam, ließ ich ihr Bein los und stellte sie auf die Füße.
Sie kämpfte wie zehn Wildkatzen, mit Händen und Füßen, biss und kratzte stumm, während ich die Arme um sie schlang. Ein Dutzend Mal entwand sie sich mir, ein Dutzend Mal packte ich sie erneut. Wir waren beide über und über voll mit Blut, meine Schulter war aufgerissen, ihr Mund aufgeplatzt, Haarbüschel von ihr und mir flatterten im Wind davon. Dies war keine Vergewaltigung, und ich hatte auch nicht die Absicht dazu; es handelte sich vielmehr um ein schlichtes Kräftemessen, Mann gegen Frau, die Neue Religion gegen die Alte. Es endete, wie alle diese Kämpfe enden müssen: Der Mann ist der Sieger.
Wir fielen mit solcher Wucht auf den Felsen, dass es uns den Atem verschlug. Während ich meinen Körper auf ihren presste und ihre Schultern niederdrückte, sah ich ihr ins Gesicht.
„Der Kampf ist vorbei. Ich habe dich erobert.“
Ihre Lippen bebten, sie wandte den Kopf zur Seite. „Du bist es. Ich habe es in dem Augenblick gewusst, als du das Heiligtum betreten hast. Als ich in mein Amt eingeführt wurde, verkündete der G*tt mir, dass eines Tages ein Mann übers Meer kommen würde, ein Mann des Himmels, der das Meer aus meinen Gedanken vertreiben und mich zu seiner Königin machen würde.“ Sie seufzte. „So sei es.“
wird fortgesetzt ...
Sie war wirklich von einer Meeraura umgeben. Ich ertappte mich bei dem Wunsch zu glauben, dass sie tatsächlich die Tochter eines G*ttes war, denn ich hatte zu tief in diese Chamäleonaugen geblickt, hatte all die Stürme und Flauten erblickt, die mit dem Meer verbunden sind, hatte den Widerschein eines kalten Feuers entdeckt, das sich jeglicher Beschreibung entzog. Und ich wollte sie zur Frau haben.
Auch sie interessierte sich für mich; ich war alt und erfahren genug, um dies zu spüren. Die Frage war nur, wie stark ihre Zuneigung wohl sein mochte; eine Stimme in mir warnte mich vor einer Niederlage. Thetis würde mich ebenso wenig heiraten wie die anderen Freier, die um sie geworben hatten. Obwohl ich durchaus nicht Männern zugetan war, hatte ich mir nie besonders viel aus Frauen gemacht, außer dass ich bei ihnen Befriedigung für jenen Trieb suchte, unter dem selbst die größten Götter so schmerzhaft wie die Menschen leiden. Gelegentlich schlief ich mit einer der Frauen aus meinem Palast, aber bis jetzt hatte ich noch nie geliebt. Ob sie es wusste oder nicht, Thetis gehörte zu mir. Und da ich der Neuen Religion in allen Geboten folgte, würde sie keine andere Frau neben sich dulden müssen. Ich würde nur der Ihre sein.
Die Sonne brannte immer stärker auf meinen Rücken. Es wurde Mittag; ich zog meinen Jagdanzug aus, damit Helios Strahlen tief in meine Haut eindringen konnten. Aber ich konnte nicht stillliegen, musste mich aufrichten und hinaus aufs Meer starren, das ich für mein neues Ungemach verantwortlich machte. Dann schloss ich die Augen und kniete nieder.
„Vater Zeus, blicke gnädig auf mich herab! Nur wenn ich wirklich nicht mehr weiter wusste und in großer Not war, habe ich bislang zu dir gebetet, wie ein Mann, der die Unterstützung seines Großvaters sucht. Aber genauso bete ich jetzt, flehe jenen Teil von dir an, der am freundlichsten und großherzigsten ist. Du hast mir immer dein Ohr geliehen, denn ich habe dich nie mit Kleinkram behelligt. Jetzt bitte ich dich: Hilf mir! Gib mir Thetis, wie du mir Iolkos und die Myrmidonen gegeben hast, wie du ganz Thessalien in meine Hände gelegt hast. Gib mir eine Königin, die auf den Myrmidonenthron passt, gib mir starke Söhne, die meine Platz einnehmen, wenn ich tot bin.“
Mit geschlossen Augen kniete ich eine ganze Weile. Als ich mich erhob, stellte ich fest, dass sich nichts verändert hatte. Aber das war zu erwarten; die Götter vollbringen keine Wunder, um damit Menschen zum Glauben zu bekehren.
Dann sah ich sie. Sie stand da, ihr dünnes Kleid wie ein Banner im Wind flatternd, ihr Haar kristallen in der Sonne, ihr Gesicht verzückt emporgereckt. Neben ihr stand das weiße Bullenkalb, und in der rechten hielt sie einen Dolch. Still fügte sich das Tier in sein Schicksal, legte sich sogar über ihr ihre Knie, als sie sich am Rand der Wellen niederkauerte, und ließ sich ohne Widerstand die Kehle durchtrennen. Dann hielt sie es, während leuchtende Purpurstreifen über ihre Schenkel und bloßen Arme liefen. Das Wasser um sie herum färbte sich schwach rot, als die Flut das Blut des Kalbes mit sich nahm.
Sie hatte mich nicht gesehen, sah mich auch nicht, als sie nun weiter ins Wasser glitt, wobei sie das Kalb mit sich zog, bis sie tief genug in den Wellen war, um sich den Körper um die Schultern zu legen und hinauszuschwimmen. In einiger Entfernung vom Ufer streifte sie das Tier von ihren Schultern, und es versank sofort. Ein großer, flacher Felsen ragte aus dem Wasser; auf den hielt sie nun zu, kletterte hinauf und hob sich dann wie eine Silhouette von dem blassen Himmel ab. Schließlich legte sie sich auf den Rücken, bettete den Kopf in ihre im Nacken gekreuzten Arme und schien schlafen zu wollen.
Ein seltsames Ritual, das nicht zur Neuen Religion passte. Thetis hatte meine Opfergabe im Namen von Poseidon angenommen, hatte sie dann aber Nereus dargeboten. Ein Sakrileg! Und sie war die Hohepriesterin Poseidons. Oh, Lykomedes, du hattest recht! In ihr schlummern die Samen für die Zerstörung von Skyros. Sie gibt dem Heern der Meere nicht, was ihm zusteht, und sie respektiert ihn auch nicht als den Beweger der Erde.
Die Luft war milchig und still, das Wasser hell und klar, aber als ich zu den Wellen hinabging, zitterte ich wie im Fieber. Das Meer konnte mich nicht abkühlen, als ich schwamm; Aphrodite hatte mich so fest im Griff, dass sie mir die Knochen hätte brechen können. Thetis gehörte mir, und ich wollte sie haben – egal, was mit dem armen Lykomedes und seiner Insel geschah.
Als ich den Felsen erreichte, fasste ich mit den Händen eine vorstehende Kante und zog mich so heftig empor, dass meine Muskeln schmerzten. Ich hockte über ihr auf dem Stein, noch bevor sie erkannte, dass ich mich durchaus nicht auf dem Weg zum Palast über Skyros gemacht hatte. Aber sie schlief nicht. Ihre sanften, träumerisch grünen Augen standen offen. Dann wich sie vor mir zurück und starrte mich düster an.
„Rührt mich nicht an! „ sagte sie schwer atmend. „Niemand wagt es, mich zu berühren! Ich habe mich G*tt geweiht.“
Meine Hand zuckte vor, hielt knapp vor ihrem Fußgelenk inne.
„Euer Versprechen an G*tt ist nicht für die Ewigkeit, Thetis. Ihr seid frei zu heiraten. Und ihr werdet meine Frau.“
„Ich gehöre meinem G*tt!“
„Und wenn, welchem G*tt? Leistet Ihr dem einen Lippendienste und opfert dem andern? Ihr gehört zu mir, und ich nehme es mit allen auf. Wenn ein G*tt - welcher auch immer! dafür meinen Tod verlangt, werde ich dieses Urteil akzeptieren.“
Mit einem Aufschrei der Verzweiflung und des Schreckens versuchte sie, vom Felsen ins Meer zu gleiten. Aber ich war schneller, ergriff ihr Bein und zog sie zurück, während ihre Fingernägel über die rauhe Oberfläche des Steines kratzten. Als ich ihr Handgelenk zu fassen bekam, ließ ich ihr Bein los und stellte sie auf die Füße.
Sie kämpfte wie zehn Wildkatzen, mit Händen und Füßen, biss und kratzte stumm, während ich die Arme um sie schlang. Ein Dutzend Mal entwand sie sich mir, ein Dutzend Mal packte ich sie erneut. Wir waren beide über und über voll mit Blut, meine Schulter war aufgerissen, ihr Mund aufgeplatzt, Haarbüschel von ihr und mir flatterten im Wind davon. Dies war keine Vergewaltigung, und ich hatte auch nicht die Absicht dazu; es handelte sich vielmehr um ein schlichtes Kräftemessen, Mann gegen Frau, die Neue Religion gegen die Alte. Es endete, wie alle diese Kämpfe enden müssen: Der Mann ist der Sieger.
Wir fielen mit solcher Wucht auf den Felsen, dass es uns den Atem verschlug. Während ich meinen Körper auf ihren presste und ihre Schultern niederdrückte, sah ich ihr ins Gesicht.
„Der Kampf ist vorbei. Ich habe dich erobert.“
Ihre Lippen bebten, sie wandte den Kopf zur Seite. „Du bist es. Ich habe es in dem Augenblick gewusst, als du das Heiligtum betreten hast. Als ich in mein Amt eingeführt wurde, verkündete der G*tt mir, dass eines Tages ein Mann übers Meer kommen würde, ein Mann des Himmels, der das Meer aus meinen Gedanken vertreiben und mich zu seiner Königin machen würde.“ Sie seufzte. „So sei es.“
wird fortgesetzt ...
Im A & O das Geheimnis liegt - Omega siegt!