Caesars 9. Legion
#4
Meuterei der 9. Legion während des Bürgerkrieges 49 v. d. Z.

Als eine Abordnung der zehn ranghöchsten Zenturionen der 9. Legion – ihr Sprecher war der erste Zenturio der 7. Kohorte, ein gewisser Quintus Carfulenus, der aus Picenum stammte, der Heimat des Gnaeus Pompeius Magnus (dieser war es auch, der Caesar im Bürgerkrieg als oberster Befehlshaber gegenüberstand) – bei Caesar vorsprach, teilten sie Caesar mit, daß sie den Krieg satt hätten und mit ihren Anteilen an der Kriegsbeute aus dem gallischen Krieg, ihrem Sold und einem Stück Land für jeden Legionär entlassen werden wollten. Sie wollten kämpfen, aber bisher konnte Caesar es vermeiden in diesem Bürgerkrieg das Blut der eigenen Landsmänner zu vergießen.
Der Zenturio Quintus Carfulenus stand vom Rang her 11 Dienstgrade unter dem primus pilus Sextus Cloatius und seinem Zenturio prior Lucius Aponius, und doch schien er der beherrschende Geist der Neunten zu sein.

Caesar stieg in voller Rüstung auf das Podest und musterte die Gesichter vor ihm.
„Zweifelt ihr an meinem Wort, daß ihr in meinem Triumphzug mitmarschieren werdet?“
Carfulenus antwortete, „Ja, Feldherr, das tun wir.“
„Und warum?“
„Wir finden, du hältst uns absichtlich hin, du versuchst, dich um die Bezahlung des Soldes zu drücken. Wir fürchten, daß du uns ans andere Ende der Welt schickst und uns dort sitzen läßt. Denn dieser Bürgerkrieg hier ist doch eine Farce. Wir glauben nicht, daß Du es ernst meinst.“
„Was werdet ihr tun, wenn ich euch sage, daß ihr in ein paar Tagen nach Brundisium marschiert?“
„Ganz einfach“, sagte Carfulenus, „wir werden nicht marschieren. Wir wollen ausbezahlt und hier in Placentia entlassen werden. Unser Land wollen wir in der Gegend um Verona, nur ich will mein Stück in Picenum.“
„Danke, daß ihr mir eure Zeit geschenkt habt, Carfulenus, Cloatius, Aponius, Munatius, Considius, Apicius, Scaptius, Vettius, Minicius und Pusio“, sagte Caesar und zeigte damit, daß er jeden von ihnen mit Namen kannte. Er nickte ohne sich zu erheben und entließ die Abordnung.

Caesar veranlaßte die Legaten der anderen Legionen, die Hierarchie der Zenturionen ihrer Legionen zu überprüfen. Außerdem berief er für den nächsten Morgen eine Versammlung ein, an der die gesamte neunte Legion, 5000 Mann, sowie jeweils 600 Mann der ersten Kohorten der anderen sieben Legionen, insgesamt also viertausendzweihundert Mann, auf dem Paradeplatz Aufstellung bezogen.

Breitbeinig stand der Feldherr auf dem Podest, die Arme in die Hüften gestemmt. Statt eines Helmes trug er die corona civica, dazu die scharlachrote Toga als Zeichen seines hohen Standes, befestigt an den Schultern seines prachtvollen, silbernen Brustpanzers.

„Ich stehe hier, um meinen Namen von Schande zu säubern!“ rief er mit hoher Stimme. „Eine meiner Legionen meutert. Ihr seht sie hier versammelt, ihr Vertreter der anderen Legionen: die Neunte.“
Niemand schien überrascht. Obwohl die Soldaten in verschiedenen Lagern untergebracht waren, sprach sich so etwas schnell herum.
„Die Neunte! Veteranen eines langen Krieges in Gallia Comata! Eine Legion, deren Standarten sich unter dem Gewicht der daran befestigten Tapferkeitsmedaillen biegen, deren Adler schon ein dutzendmal mit Lorbeer bekränzt waren, deren Männer mir besonders viel bedeuten. Und jetzt erhebt sich diese Legion gegen mich! Ihre Männer sind von Demagogen in der Gestalt von Zenturionen aufgewiegelt und gegen mich aufgehetzt worden. Was sagen die beiden wunderbaren Zenturionen Titus Pullo und Lucius Vorenus wohl zu den niederträchtigen Kreaturen, die ihren Platz an der Spitze der neunten Legion eingenommen haben?“
Caesar streckte die rechte Hand aus und zeigte auf die beiden Zenturionen. „Seht ihr sie, Männer der Neunten? Titus Pullo und Lucius Vorenus! Sie haben die ehrenvolle Aufgabe übernommen, in Placentia junge Zenturionen auszubilden, und sie sind heute hier, um über die Ehrlosigkeit ihrer alten Legion zu weinen. Seht ihr ihre Tränen? Sie weinen um euch! Ich kann es nicht – zu sehr erfüllt mich Verachtung, verzehrt mich der Zorn. Immer war ich stolz darauf, daß keine meiner Legionen je gemeutert hat. Das ist jetzt vorbei.“
Er bewegte sich nicht. Seine Arme ruhten wieder auf seinen Hüften.
„Vertreter meiner anderen Legionen, ich habe euch heute hier antreten lassen, damit ihr Zeugen dessen seid, was ich mit den Männern der Neunten machen werde. Sie haben mir mitgeteilt, daß sie Placentia nicht verlassen wollen, daß sie ihre Entlassung wünschen und ihren Anteil an der Beute eines neunjährigen Krieges bekommen wollen. Sie können ihre Entlassung haben – allerdings keine ehrenvolle! Ihr Anteil an der Beute wird unter den mir treuen Legionen aufgeteilt, und Land bekommen sie auch keines. Außerdem entziehe ich ihnen allen das Bürgerrecht. Ich bin Diktator von Rom, und mein Imperium steht höher als das eines Konsuls oder Porkonsuls, aber ich bin kein Sulla, ich werde meine Macht nicht mißbrauchen. Was ich heute tue, ist die einzig vernünftige Entscheidung eines Feldherrn, dessen Truppen meutern!
Ich lasse meinen Legionären viel Freiheit, solange sie wie die Löwen kämpfen und mir treu ergeben sind. Die Männer der Neunten aber sind mir nicht mehr treu. Sie haben mich, der ich zehn Jahre lang ihr Feldherr war, sogar beschuldigt, sie vorsätzlich um ihre berechtigen Ansprüche zu betrügen. Mein Wort ist der Neunten nichts mehr wert, und deshalb meutert sie!“
Seine Stimme schwoll an, und er brüllte, was er bei einer Heeresversammlung noch nie getan hatte. „Ich dulde keine Meuterei! Habt ihr das verstanden? Meuterei ist das schlimmste Verbrechen eines Soldaten. Meuterei ist Hochverrat, und so werde ich die Meuterei der Neunten auch behandeln, als Hochverrat! Ich werde den Männern der Neunten all ihre Rechte und das Bürgerrecht entziehen, und ich werde jeden Zehnten hinrichten lassen!“
Er wartete, bis der letzte Sprecher seine Worte wiederholt hatte. Keiner gab einen Laut von sich, nur Pullo und Vorenus weinten. Alle Augen waren auf Caesar gerichtet.
„Wie konntet ihr das tun?“ schrie er die Legionäre der Neunten an. „Ihr wißt nicht, wie dankbar ich den Göttern bin, daß Quintus Cicero das nicht erleben muß! Das ist nicht mehr seine Legion. Diese Legionäre können nicht dieselben sein, die dreißig Tage lang 60 000 Angreifer abwehrten, die verwundet wurden und erkrankten, die mit ansehen mußten, wie ihre Lebensmittel und ihre Habseligkeiten in Flammen aufgingen, und die trotz allem weiterkämpften – nein, es können nicht dieselben sein! Die Männer hier sind habsüchtige, niederträchtige, nichtswürdige Memmen! Ich will sie nicht!“
Er streckte die Hände aus. „Wie konntet ihr den Aufwieglern nur glauben? Was habe ich getan, um das zu verdienen? Wenn ihr Hunger hattet, hatte ich da etwa mehr zu essen? Wenn euch kalt war, hatte ich da etwa ein warmes Bett? Wenn ihr Angst hattet, habe ich da über euch gelacht? Wenn ihr mich brauchtet, war ich etwa nicht für euch da? Wenn ich euch mein Wort gab, habe ich es nicht gehalten? Was habe ich euch getan?“
Er ballte seine zitternden Hände zu Fäusten. „Wer sind diese Männer, denen ihr mehr Glauben schenkt als mir? Was für Lorbeeren tragen sie, die ich nicht auch trage? Sind sie besser als ich? Haben sei euch besser behandelt? Euch reicher gemacht? Nein, ihr habt euren Anteil an der triumphalen Beute genausowenig bekommen wie die anderen Legionen, dafür aber etwas anderes, zum Beispiel doppelten Sold und eine Sonderzulage, die ich aus meiner eigenen Tasche bezahlt habe. Bin ich etwa mit eurer Bezahlung im Rückstand? Nein. Habe ich euch etwa nicht dafür entschädigt, daß es in einem Bürgerkrieg keine Beute geben kann? Doch. Was habe ich also getan?“
Er ließ die Arme sinken. „Die Antwort lautet, Männer der Neunten: Ich habe überhaupt nichts getan, was eine Meuterei rechtfertigen würde, selbst wenn Meuterei ein verbrieftes Recht wäre. Meuterei aber ist Hochverrat! Sie wäre auch dann Hochverrat, wenn ich der knauserigste und grausamste Feldherr in der Geschichte Roms wäre. Ihr habt auf mich gespuckt, aber ich spucke nicht zurück, das seid ihr nicht wert, genausowenig, wie ihr es wert seid, weiterhin unter mir zu dienen.“
„Bitte nicht, Caesar!“ heulte Sextus Cloatius tränenüberströmt auf. Er trat aus der vordersten Reihe und stieg auf das Podest. „Entlasse mich, nimm mir mein Geld, richte mich hin, aber verachte uns nicht!“
Weinend und um Vergebung flehend traten die zehn Männer vor, die die Abordnung der Neunten gestellt hatten. Sie wollten lieber sterben, als von Caesar verstoßen zu werden. Auch Legionäre begannen in aufrichtigem Kummer zu weinen und zu klagen.

Nach einer Weile sagte Caesar, „Also gut, ich entlasse euch nicht und klage euch nicht des Hochverrats an. Unter der Bedingung, daß ihr mir die 120 Rädelsführer der Meuterei ausliefert. Sie werden entlassen und verlieren ihr Bürgerrecht. Außerdem werde ich jeden Zehnten von ihnen hinrichten lassen. Sie sollen vortreten.“
Alle achtzig Männer aus Carfulenus’ Zenturie, der ersten der siebenten Kohorte, traten vor, außerdem vierzig Zenturionen, darunter Cloatius und Aponius.
Sulpicius Rufus, der Legat der Neunten, hatte einige Nachforschungen nach den Rädelsführern angestellt.
„Ist unter euch ein Unschuldiger?“ fragte Caesar. „Ja!“ schrie es aus den Tiefen der Neunten. „Marcus Pusio, mein Zenturio hat mich vorgeschickt, dabei ist Pusio selbst schuldig.“
„Tritt vor!“ forderte Caesar den Unschuldigen auf. Dieser tat, wie ihm geheißen.
„Pusio, nimm seinen Platz ein!“
Die Lose, durch welche die zwölf hinzurichtenden Männer ermittelt werden sollten, waren bereit. Carfulenus, Pusio, Aponius und Scaptius zogen ein Todeslos, außerdem acht Legionäre, die in die Meuterei verwickelt gewesen waren. Das Urteil wurde sofort vollstreckt. Die neun vom Los verschonten Männer jeder Dekurie bekamen Knüppel und mußten die zum Tode Verurteilten prügeln, bis sie tot waren.
Caesar befahl Rufus die neunte Legion neu zu organisieren. „Ich habe heute über 20 Zenturionen verloren.“, sagte er.
„Ich bin froh, daß wir nicht die ganze Legion verloren haben.“ antwortete Gaius Fabius seufzend. „Kann sein. “, sagte Caesar hart, „aber nun ist es eben so gekommen. Ich werde der Neunten niemals vergeben.“
„Nicht alle Legionäre sind schlecht, Caesar.“, sagte Fabius düster.
„Nein, aber sie sind Kinder. Und warum denken immer alle, daß man Kindern vergeben muß? Sie sind doch keine Tiere, sie gehören zur gens humana und sollten demnach in der Lage sein zu denken, bevor sie handeln.“

Kein besserer Freund – kein schlimmerer Feind!
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Caesars 9. Legion - von Hælvard - 28.02.12007, 20:44
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