07.12.12006, 11:57
Die Zeugung des Körpergefäßes
Früh am Morgen saßen die drei Freunde, der König, sein Feldherr Parmenion und sein Vertrauter Antipatros, zusammen und aßen Fladenbrot und einige Früchte. Sie schauten schweigend aus dem Fenster. Weißgekleidete, geschmückte Menschen zogen in den Wald, zum Tempel; immer wieder flattern Vögel aus den Bäumen auf.
Philipp, König der Makedonen, schob den hölzernen Teller von sich, wischte sich Mund und Hände mit einem feuchten Tuch, stand auf und ging mit vorsichtigen Schritten zum Fenster und wieder zurück. Sein Gang war steif.
Antipatros faltete die Hände hinter dem Kopf und lehnte sich zurück; der Helm rutschte weit in die Stirn. „Willst du uns wirklich beide mitschleppen?“
Philipp räusperte sich: „Ich brauche jemanden, der mich gelegentlich tritt, wenn ich allzu unbotmäßig werde.“
Antipatros nickte, Parmenion grinste und sprach zu seinen beiden Freunden: „Wir müssen noch etwas bereden. Wir sind gestern abend nicht ganz fertig geworden mit der Politik, bevor wir zu Bett gegangen sind.“
Philipp hob eine Braue.
„Deine Zeitvorstellungen. Du hast von zwanzig Jahren oder mehr gesprochen. In zwanzig Jahren bist du älter, als wir beide jetzt sind, und wir sind dann Greise. Wer soll weitermachen? Und – in welchem Amt?“
Antipatros nickte seinem Freund, dem Feldherren Parmenion zustimmend zu und sagte zu Philipp: „Ja, reden wir davon.“
Philipp hob beide Hände und ließ sie wieder sinken. „Ihr verfinstert mein Gemüt! Das hat doch noch Zeit.
„Hat es nicht.“ Antipatros schob den Helm zurück und massierte sich die kahle Stirn. „Du wärmst den Thron für deinen Neffen Amyntas, als Vormund und Verweser. Der Sohn deines Bruders, der einst König der Makedonen werden wird. Du kannst keine Pläne für zwanzig Jahre machen. Er soll der rechtmäßige König der Makedonen werden. In fünfzehn Jahren, spätestens, wird dein Neffe Einwände erheben. Du bist sozusagen nur der Verwalter seines Thrones.“
Philipp blieb am Tisch stehen und stützte sich mit geballten Fäusten auf die Platte. „Sobald die wichtigsten Dinge geregelt sind, werde ich die Versammlung der Fürsten und Krieger auffordern.“
Parmenion stieß seinen Scherenstuhl zurück, stand auf und packte Philipp an den Schultern. „Komm zu dir, Junge. Du bist der dritte Sohn von König Amyntas. Deine Brüder sind tot, der zweite hat einen Sohn hinterlassen. Der König wird von der Versammlung gewählt, und die Versammlung muß nicht unbedingt einen wählen, der unmittelbar vom alten Herrscher abstammt. Er kann auch aus einem anderen Zweig der Familie kommen. Du hast Phila zur Frau genommen – aber sie hat bisher kein Kind. Du hast die Illyrerin zur Frau genommen, auch sie ist ohne Sohn. Dann hast du die Tänzerin Philinna in dein Bett geholt – sie ist schwanger, aber sie ist aus Larisa, eine Thessalierin. Deine Verbindungen zu den Fürsten sind schwach, Philipp. Und: Solange ein kleiner Königssohn lebt, wird niemand den Onkel und Vormund zum wahren König machen – es sei denn, er hätte selbst einen Sohn, der ihm nachfolgen kann, wenn etwas geschehen sollte. Einen Sohn von einer hohen Frau, nicht von einer Tänzerin.“
Philipp lachte laut los, nahm Parmenions Hände von seinen Schultern und drückte sie. „Ah Freunde. Eine wirkliche Frau nehmen? Eine Königstochter, die sowohl die Priester, als auch die Fürsten an mich bindet? Einen Sohn zeugen? Genau das habe ich vor! Und wenn er in neun Monden geboren ist, dann wird die Versammlung der Fürsten einberufen, die mich zum unwiderruflichen König der Makedonen erklärt und meinen Sohn zu meinem Erben, der mit Hilfe des Tempels das begonnene Werk fortsetzen wird.“
Philipp schaute seine beiden Freunde an. „Das ist mein Teil der Abmachung“. Er sah nach draußen und dachte an Aristandros, den Hohenpriester der Makedonen, der sich gestern auf einem dieser Bogengänge verabschiedet hatte. Kommt nüchtern hatte er gesagt und Philipp lächelte in sich hinein. Nun wollte er endlich zur Tat schreiten. „Wollen wir doch mal sehen, ob ich nicht selbst die Priester noch überraschen kann. Begleitet mich Freunde, denn ich will nun eine Königin freien.“
„Wer sagt dir denn, daß diese Priesterin von edlem Blute ist? Du kennst sie doch gar nicht!“ Parmenion zweifelte noch immer, während die drei Freunde bereits zum Tempel gingen.
Philipp blickte seinem Freund in die Augen. „Ich vertraue den Priestern. Auch sie wissen um die politische Lage und die entsprechenden Notwendigkeiten. Auch für sie steht viel auf dem Spiel. Wenn sie eine Frau für mich aussuchen und eine Königin für euch, dann werden sie auch die richtige Gefährtin gefunden haben.
Sie lenkten ihre Schritte in den Tempelbereich. Vier Priester begrüßten den Herrscher Makedoniens: der Ägypter, Aristandros, ein Hellene, ein Thraker. Tempeldiener übernahmen die Weihegaben, die Philipp mitführte; Antipatros konnte das Gefolge entlassen. Es wurden nur wenige Worte gewechselt. Mit schnellen Schritten geleiteten die Priester Philipp, Antipatros und Parmenion durch die verschiedenen heiligen Gevierte. Vorbei an zahlreichen Altären, an geweihten Wassern, an säulenstarrenden Innenhöfen, wo weißgekleidete Pilger und Besucher Lieder in der alten thrakischen Sprache sangen und dabei mitgebrachte persönliche Gegenstände in ein Feuer warfen.
Aristandros berührte Philipps Arm und sagte halblaut. „Die besondere Begrüßung für den besonderen Gast – du bist einer der wenigen, denen es erlaubt wird, diesen Raum zu betreten. Parmenion und Antipatros dürfen ebenfalls mit hinein. Alle anderen müssen jedoch draußen warten.“
Ohne Worte, nur mit seinen Blicken gab Philipp die entsprechenden Befehle. Dann traten sie ein.
„Wir Priester“ sprach der Hellene zu Philipp „sind nur Mittler zwischen der „Alten Weisen“, die die Göttin ist und dir, Philipp, Herrscher der Makedonen.“ Der Hellene vermied es, Philipp mit dem Titel König anzureden. Dann fuhr er fort: „Die Mittler wissen, wie groß dein Sehnen ist und wie loyal deine Pläne sind. Die Mittler betrachten die Weihegaben als großmütig und reich; es ist unser Wunsch, Freundschaft und Wiederkehr des künftigen Königs der Makedonen zu bewirken.
Philipp knurrte etwas und sagte halblaut: „Beim nächsten Mal Preisnachlaß; denn schließlich soll ich ja für euch Ägypten von den Persern befreien.“
Antipatros stieß Philipp mit dem Ellenbogen an.
Der hellenische Priester räusperte sich: „Das o Philipp wird die Aufgabe deines Sohnes sein, dem du den Weg bereiten sollst.“
Dann sprach der Thraker: „Was die Mittler angeht, so ist der künftige König, dessen Belange und Bewerbung vom „Hohen Tempel“ unterstützt werden für seine Aufgaben bereit. Wir schließen hier einen Pakt mit dir, künftiger König, und an dir selbst liegt es, diesen Pakt einzuhalten – mit all deinen Kräften.
Philipp grunzte und nickte.
Sie gingen in das Zentrum des Raumes, welches durch vorgesetzte Wände, die mit Mosaiken verziert waren, vor Blicken geschützt wurde.
Olympias stand barfuß auf einem Stein mit blauen Adern. Sie trug den knielangen, ärmellosen Chiton aus weißem Leinen. Eine goldene Schärpe, statt eines Gürtels eng um den Leib geschlungen, betonte Brüste, Hüften und Gesäß. Goldgefärbt waren auch die Nägel an ihren Fingern und Zehen. Der im Tempel zum Dämmer gemilderte Tag, lodernde Fackeln und glimmende Becken, der wogende Widerschein auf Edelsteinen, Gold und Marmor umgaben sie mit vielfarbigem Feuer; es rieselte aus ihrem brandigen Haar.
Der Ägypter stellte sich zu ihrer Rechten, Aristandros zur Rechten von Philipp auf. Deine Hetaira, die Dich während der Zeit Deiner Anwesenheit hier begleitet und alle Deine Fragen beantworten wird.
Philipp stand starr. Seine Nase schien blutleer, seine Augen fraßen sich fest in Olympias’ Gesicht. Sie seufzte, kaum hörbar, öffnete ein wenig den Mund. Ihre Blicke und die von Philipp schienen sich umeinander zu flechten. Als ihre Finger seine berührten, war es, als ob beide einen Moment lang schwankten. Der Ägypter trat einen Schritt zurück; auf dem Gesicht von Aristandros erlosch das Lächeln.
Auch Antipatros starrte die Frau an, offenbar fassungslos; dann ächzte er leise, sah Philipps Gesicht und schloß die Augen.
Philipp und Olympias preßten die Handflächen gegeneinander; die Finger verschränkten sich wie im Krampf. Der Makedone streckte die linke Hand aus; ohne von Olympias’ Augen fortzuschauen, löste er die goldene Spange, die das aufgetürmte rote Haar zusammenhielt. Das Schmuckstück klirrte zu Boden, lag zwischen Olympias’ Füßen. Mit einer Kreiselbewegung des Kopfes schüttelte sie das Haar aus.
Jetzt blieb auch dem tapferen Feldherrn Parmenion, der schon einiges gesehen hatte, die Luft weg. Die Hetaira glich der Frau auf dem Mosaik in Philipps Schlafgemach wie ein Ei dem anderen Ei gleicht. Philipp hatte noch als Knabe von seiner zukünftigen Gemahlin geträumt, die ihm von der Göttin selbst übergeben wurde. Am nächsten Tag gab er ein Mosaik in Auftrag, das die Frau seiner Träume für immer festhalten sollte. Nachdem das Mosaik vielmals geändert werden mußte, war Philipp endlich mit dem dort festgehaltenen Bild einverstanden. Diese Frau wird einmal die meine sein, hatte er stolz verkündet.
Parmenion stieß einen Laut der Überraschung aus: „Das ist ja die Frau von dem Mosaik!“ Antipatros stieß ihn an und forderte ihn auf diese Weise zum Schweigen auf.
Philipp und Olympias standen versunken und in sich verloren, ehe sie sich mit einer spürbaren Anstrengung voneinander lösten, Blicke und Hände entflechten konnten.
„Wer bist du Hetaira?“ fragte Philipp.
Ihre Stimme war belegt, ein wenig aufgerauht, wie mit der stumpfen Seite einer Klinge berieben. „Olympias, Tochter des Neoptolemos und Nichte Arybas.“
Ein Lächeln zuckte über Philipps Gesicht. „Könige der Molosser?“
Olympias nickte.
„Dann darfst du helfen!“ Philipp schrie diesen letzten Satz. Aristandros zuckte zusammen und Parmenion warf Antipatros einen Blick zu. Jedoch hielten sich die Freunde diesmal zurück und ließen Philipp gewähren.
Philipp fuhr fort: Ich bin Philipp. Der Vater meines Geschlechtes ist Herakles; die Fürsten der Molosser, die deine Väter sind, stammen ab von Neoptolemos, der zuerst Pyrrhos hieß – der Sohn, den Achilles mit Deidameia zeugte. Eine wahrhaft königliche Verbindung. Was sagst du Hetaira?“
„Ich bin eine Priesterin Amuns“ Olympias sah Philipp fest in die Augen „und ich werde dir einen Sohn gebären, der Ägypten befreien wird, der den Makedonen ein gerechter Herrscher ist, sie zu Ruhm und Ehre führen wird und Verkünder des Friedens und der Einigkeit in ganz Hellas ist. Wie es die Welt noch nicht gesehen hat; ein Griechenland ohne Bruderkriege, regiert von einem Pharao, der in Ägypten gesalbt, jedoch ein Makedone ist – und der, so wie ich auch, die Zeit seiner Leben treu zum Tempel der Göttin stehen wird. Es liegt an dir Philipp, ob du diesen Pakt eingehen willst. Bist du bereit dich mit mir und damit mit dem Tempel der Göttin zu verbinden? Bist du bereit treu zu diesem Plan zu stehen und den Weg für deinen Sohn zu bereiten? Das ist deine Seite des Paktes, die du einzuhalten schwören mußt!
„Bringt das Brot“ Philipp rief es den vier Priestern zu „wir wollen es gemeinsam brechen und unsere Ehe gleich hier und jetzt vollziehen“.
„Du schwörst also, dich an diesen Pakt zu halten und deine beiden Freunde hier, werden darüber schweigen?“
„So ist es!“ antworteten die drei wie aus einem Mund.
„Dann wirst du schon im nächsten Jahr der rechtmäßige König deines Landes sein und der Tempel unterstützt die Verbindung zwischen dir und Olympias, als deiner Königin, und segnet sie.“ Aristandros sprach sehr feierlich und langsam, als er diese Sätze über seine Lippen brachte.
Der Ägypter reicht Philipp und Olympias das Brot.
Philipp spricht: „Du weißt was das bedeutet, Prinzessin der Molosser, die meine Königin sein wird?“
„Ich weiß es Hetairos, mein Gefährte“, Olympias blickt Philipp fest in die Augen und ergreift dabei das Brot.
Philipp sagt halblaut: „Antipatros.“
„Ich höre.“
„Deine Hände, Hüter Makedoniens.“
Antipatros zögerte nicht länger als ein Blinzeln dauert. Sein Entsetzen über den Anblick der Frau, die mit dem Mosaik in Philipps Schlafgemach identisch zu sein schien, wog geringer als das Vergnügen über die Entwicklung der Dinge, wie sie hier im Tempel geschahen. Er nahm die linke Hand Olympias und legte sie in die rechte Hand seines Herrschers. „Den Segen der Götter, die Treue des Volkes, gute Stunden und zahlreiche Kinder!“ sagte er mit fester Stimme.
Nun schritt Aristandros, der Hohepriester Makedoniens, dazu und legte seine beiden Hände auf diesen Bund: „Hiermit segne ich dieses Bündnis und der Tempel behütet euren Eid. Ihr seid von nun an gleichberechtigte Gefährten, unabhängig von eurem weltlichen Rang und Titel.“ Aristandros legte ein Band um beider Hände, welches das zukünftige Bündnis symbolisierte und zog es fest zusammen.
Dann sprach er fort: „Nun vollzieht eure Ehe und zeugt das Gefäß des Pharaos, der mit dem Schwert die Welt pflügen wird, damit gesunde Saat emporsprieße!“
Olympias nahm Philipp bei der Hand und als sie ihn zu Boden drückte, um sich auf ihn zu setzen, sahen es die übrigen Zeugen schon nicht mehr, denn sie hatten diesen inneren Tempelbereich bereits verlassen.
Früh am Morgen saßen die drei Freunde, der König, sein Feldherr Parmenion und sein Vertrauter Antipatros, zusammen und aßen Fladenbrot und einige Früchte. Sie schauten schweigend aus dem Fenster. Weißgekleidete, geschmückte Menschen zogen in den Wald, zum Tempel; immer wieder flattern Vögel aus den Bäumen auf.
Philipp, König der Makedonen, schob den hölzernen Teller von sich, wischte sich Mund und Hände mit einem feuchten Tuch, stand auf und ging mit vorsichtigen Schritten zum Fenster und wieder zurück. Sein Gang war steif.
Antipatros faltete die Hände hinter dem Kopf und lehnte sich zurück; der Helm rutschte weit in die Stirn. „Willst du uns wirklich beide mitschleppen?“
Philipp räusperte sich: „Ich brauche jemanden, der mich gelegentlich tritt, wenn ich allzu unbotmäßig werde.“
Antipatros nickte, Parmenion grinste und sprach zu seinen beiden Freunden: „Wir müssen noch etwas bereden. Wir sind gestern abend nicht ganz fertig geworden mit der Politik, bevor wir zu Bett gegangen sind.“
Philipp hob eine Braue.
„Deine Zeitvorstellungen. Du hast von zwanzig Jahren oder mehr gesprochen. In zwanzig Jahren bist du älter, als wir beide jetzt sind, und wir sind dann Greise. Wer soll weitermachen? Und – in welchem Amt?“
Antipatros nickte seinem Freund, dem Feldherren Parmenion zustimmend zu und sagte zu Philipp: „Ja, reden wir davon.“
Philipp hob beide Hände und ließ sie wieder sinken. „Ihr verfinstert mein Gemüt! Das hat doch noch Zeit.
„Hat es nicht.“ Antipatros schob den Helm zurück und massierte sich die kahle Stirn. „Du wärmst den Thron für deinen Neffen Amyntas, als Vormund und Verweser. Der Sohn deines Bruders, der einst König der Makedonen werden wird. Du kannst keine Pläne für zwanzig Jahre machen. Er soll der rechtmäßige König der Makedonen werden. In fünfzehn Jahren, spätestens, wird dein Neffe Einwände erheben. Du bist sozusagen nur der Verwalter seines Thrones.“
Philipp blieb am Tisch stehen und stützte sich mit geballten Fäusten auf die Platte. „Sobald die wichtigsten Dinge geregelt sind, werde ich die Versammlung der Fürsten und Krieger auffordern.“
Parmenion stieß seinen Scherenstuhl zurück, stand auf und packte Philipp an den Schultern. „Komm zu dir, Junge. Du bist der dritte Sohn von König Amyntas. Deine Brüder sind tot, der zweite hat einen Sohn hinterlassen. Der König wird von der Versammlung gewählt, und die Versammlung muß nicht unbedingt einen wählen, der unmittelbar vom alten Herrscher abstammt. Er kann auch aus einem anderen Zweig der Familie kommen. Du hast Phila zur Frau genommen – aber sie hat bisher kein Kind. Du hast die Illyrerin zur Frau genommen, auch sie ist ohne Sohn. Dann hast du die Tänzerin Philinna in dein Bett geholt – sie ist schwanger, aber sie ist aus Larisa, eine Thessalierin. Deine Verbindungen zu den Fürsten sind schwach, Philipp. Und: Solange ein kleiner Königssohn lebt, wird niemand den Onkel und Vormund zum wahren König machen – es sei denn, er hätte selbst einen Sohn, der ihm nachfolgen kann, wenn etwas geschehen sollte. Einen Sohn von einer hohen Frau, nicht von einer Tänzerin.“
Philipp lachte laut los, nahm Parmenions Hände von seinen Schultern und drückte sie. „Ah Freunde. Eine wirkliche Frau nehmen? Eine Königstochter, die sowohl die Priester, als auch die Fürsten an mich bindet? Einen Sohn zeugen? Genau das habe ich vor! Und wenn er in neun Monden geboren ist, dann wird die Versammlung der Fürsten einberufen, die mich zum unwiderruflichen König der Makedonen erklärt und meinen Sohn zu meinem Erben, der mit Hilfe des Tempels das begonnene Werk fortsetzen wird.“
Philipp schaute seine beiden Freunde an. „Das ist mein Teil der Abmachung“. Er sah nach draußen und dachte an Aristandros, den Hohenpriester der Makedonen, der sich gestern auf einem dieser Bogengänge verabschiedet hatte. Kommt nüchtern hatte er gesagt und Philipp lächelte in sich hinein. Nun wollte er endlich zur Tat schreiten. „Wollen wir doch mal sehen, ob ich nicht selbst die Priester noch überraschen kann. Begleitet mich Freunde, denn ich will nun eine Königin freien.“
„Wer sagt dir denn, daß diese Priesterin von edlem Blute ist? Du kennst sie doch gar nicht!“ Parmenion zweifelte noch immer, während die drei Freunde bereits zum Tempel gingen.
Philipp blickte seinem Freund in die Augen. „Ich vertraue den Priestern. Auch sie wissen um die politische Lage und die entsprechenden Notwendigkeiten. Auch für sie steht viel auf dem Spiel. Wenn sie eine Frau für mich aussuchen und eine Königin für euch, dann werden sie auch die richtige Gefährtin gefunden haben.
Sie lenkten ihre Schritte in den Tempelbereich. Vier Priester begrüßten den Herrscher Makedoniens: der Ägypter, Aristandros, ein Hellene, ein Thraker. Tempeldiener übernahmen die Weihegaben, die Philipp mitführte; Antipatros konnte das Gefolge entlassen. Es wurden nur wenige Worte gewechselt. Mit schnellen Schritten geleiteten die Priester Philipp, Antipatros und Parmenion durch die verschiedenen heiligen Gevierte. Vorbei an zahlreichen Altären, an geweihten Wassern, an säulenstarrenden Innenhöfen, wo weißgekleidete Pilger und Besucher Lieder in der alten thrakischen Sprache sangen und dabei mitgebrachte persönliche Gegenstände in ein Feuer warfen.
Aristandros berührte Philipps Arm und sagte halblaut. „Die besondere Begrüßung für den besonderen Gast – du bist einer der wenigen, denen es erlaubt wird, diesen Raum zu betreten. Parmenion und Antipatros dürfen ebenfalls mit hinein. Alle anderen müssen jedoch draußen warten.“
Ohne Worte, nur mit seinen Blicken gab Philipp die entsprechenden Befehle. Dann traten sie ein.
„Wir Priester“ sprach der Hellene zu Philipp „sind nur Mittler zwischen der „Alten Weisen“, die die Göttin ist und dir, Philipp, Herrscher der Makedonen.“ Der Hellene vermied es, Philipp mit dem Titel König anzureden. Dann fuhr er fort: „Die Mittler wissen, wie groß dein Sehnen ist und wie loyal deine Pläne sind. Die Mittler betrachten die Weihegaben als großmütig und reich; es ist unser Wunsch, Freundschaft und Wiederkehr des künftigen Königs der Makedonen zu bewirken.
Philipp knurrte etwas und sagte halblaut: „Beim nächsten Mal Preisnachlaß; denn schließlich soll ich ja für euch Ägypten von den Persern befreien.“
Antipatros stieß Philipp mit dem Ellenbogen an.
Der hellenische Priester räusperte sich: „Das o Philipp wird die Aufgabe deines Sohnes sein, dem du den Weg bereiten sollst.“
Dann sprach der Thraker: „Was die Mittler angeht, so ist der künftige König, dessen Belange und Bewerbung vom „Hohen Tempel“ unterstützt werden für seine Aufgaben bereit. Wir schließen hier einen Pakt mit dir, künftiger König, und an dir selbst liegt es, diesen Pakt einzuhalten – mit all deinen Kräften.
Philipp grunzte und nickte.
Sie gingen in das Zentrum des Raumes, welches durch vorgesetzte Wände, die mit Mosaiken verziert waren, vor Blicken geschützt wurde.
Olympias stand barfuß auf einem Stein mit blauen Adern. Sie trug den knielangen, ärmellosen Chiton aus weißem Leinen. Eine goldene Schärpe, statt eines Gürtels eng um den Leib geschlungen, betonte Brüste, Hüften und Gesäß. Goldgefärbt waren auch die Nägel an ihren Fingern und Zehen. Der im Tempel zum Dämmer gemilderte Tag, lodernde Fackeln und glimmende Becken, der wogende Widerschein auf Edelsteinen, Gold und Marmor umgaben sie mit vielfarbigem Feuer; es rieselte aus ihrem brandigen Haar.
Der Ägypter stellte sich zu ihrer Rechten, Aristandros zur Rechten von Philipp auf. Deine Hetaira, die Dich während der Zeit Deiner Anwesenheit hier begleitet und alle Deine Fragen beantworten wird.
Philipp stand starr. Seine Nase schien blutleer, seine Augen fraßen sich fest in Olympias’ Gesicht. Sie seufzte, kaum hörbar, öffnete ein wenig den Mund. Ihre Blicke und die von Philipp schienen sich umeinander zu flechten. Als ihre Finger seine berührten, war es, als ob beide einen Moment lang schwankten. Der Ägypter trat einen Schritt zurück; auf dem Gesicht von Aristandros erlosch das Lächeln.
Auch Antipatros starrte die Frau an, offenbar fassungslos; dann ächzte er leise, sah Philipps Gesicht und schloß die Augen.
Philipp und Olympias preßten die Handflächen gegeneinander; die Finger verschränkten sich wie im Krampf. Der Makedone streckte die linke Hand aus; ohne von Olympias’ Augen fortzuschauen, löste er die goldene Spange, die das aufgetürmte rote Haar zusammenhielt. Das Schmuckstück klirrte zu Boden, lag zwischen Olympias’ Füßen. Mit einer Kreiselbewegung des Kopfes schüttelte sie das Haar aus.
Jetzt blieb auch dem tapferen Feldherrn Parmenion, der schon einiges gesehen hatte, die Luft weg. Die Hetaira glich der Frau auf dem Mosaik in Philipps Schlafgemach wie ein Ei dem anderen Ei gleicht. Philipp hatte noch als Knabe von seiner zukünftigen Gemahlin geträumt, die ihm von der Göttin selbst übergeben wurde. Am nächsten Tag gab er ein Mosaik in Auftrag, das die Frau seiner Träume für immer festhalten sollte. Nachdem das Mosaik vielmals geändert werden mußte, war Philipp endlich mit dem dort festgehaltenen Bild einverstanden. Diese Frau wird einmal die meine sein, hatte er stolz verkündet.
Parmenion stieß einen Laut der Überraschung aus: „Das ist ja die Frau von dem Mosaik!“ Antipatros stieß ihn an und forderte ihn auf diese Weise zum Schweigen auf.
Philipp und Olympias standen versunken und in sich verloren, ehe sie sich mit einer spürbaren Anstrengung voneinander lösten, Blicke und Hände entflechten konnten.
„Wer bist du Hetaira?“ fragte Philipp.
Ihre Stimme war belegt, ein wenig aufgerauht, wie mit der stumpfen Seite einer Klinge berieben. „Olympias, Tochter des Neoptolemos und Nichte Arybas.“
Ein Lächeln zuckte über Philipps Gesicht. „Könige der Molosser?“
Olympias nickte.
„Dann darfst du helfen!“ Philipp schrie diesen letzten Satz. Aristandros zuckte zusammen und Parmenion warf Antipatros einen Blick zu. Jedoch hielten sich die Freunde diesmal zurück und ließen Philipp gewähren.
Philipp fuhr fort: Ich bin Philipp. Der Vater meines Geschlechtes ist Herakles; die Fürsten der Molosser, die deine Väter sind, stammen ab von Neoptolemos, der zuerst Pyrrhos hieß – der Sohn, den Achilles mit Deidameia zeugte. Eine wahrhaft königliche Verbindung. Was sagst du Hetaira?“
„Ich bin eine Priesterin Amuns“ Olympias sah Philipp fest in die Augen „und ich werde dir einen Sohn gebären, der Ägypten befreien wird, der den Makedonen ein gerechter Herrscher ist, sie zu Ruhm und Ehre führen wird und Verkünder des Friedens und der Einigkeit in ganz Hellas ist. Wie es die Welt noch nicht gesehen hat; ein Griechenland ohne Bruderkriege, regiert von einem Pharao, der in Ägypten gesalbt, jedoch ein Makedone ist – und der, so wie ich auch, die Zeit seiner Leben treu zum Tempel der Göttin stehen wird. Es liegt an dir Philipp, ob du diesen Pakt eingehen willst. Bist du bereit dich mit mir und damit mit dem Tempel der Göttin zu verbinden? Bist du bereit treu zu diesem Plan zu stehen und den Weg für deinen Sohn zu bereiten? Das ist deine Seite des Paktes, die du einzuhalten schwören mußt!
„Bringt das Brot“ Philipp rief es den vier Priestern zu „wir wollen es gemeinsam brechen und unsere Ehe gleich hier und jetzt vollziehen“.
„Du schwörst also, dich an diesen Pakt zu halten und deine beiden Freunde hier, werden darüber schweigen?“
„So ist es!“ antworteten die drei wie aus einem Mund.
„Dann wirst du schon im nächsten Jahr der rechtmäßige König deines Landes sein und der Tempel unterstützt die Verbindung zwischen dir und Olympias, als deiner Königin, und segnet sie.“ Aristandros sprach sehr feierlich und langsam, als er diese Sätze über seine Lippen brachte.
Der Ägypter reicht Philipp und Olympias das Brot.
Philipp spricht: „Du weißt was das bedeutet, Prinzessin der Molosser, die meine Königin sein wird?“
„Ich weiß es Hetairos, mein Gefährte“, Olympias blickt Philipp fest in die Augen und ergreift dabei das Brot.
Philipp sagt halblaut: „Antipatros.“
„Ich höre.“
„Deine Hände, Hüter Makedoniens.“
Antipatros zögerte nicht länger als ein Blinzeln dauert. Sein Entsetzen über den Anblick der Frau, die mit dem Mosaik in Philipps Schlafgemach identisch zu sein schien, wog geringer als das Vergnügen über die Entwicklung der Dinge, wie sie hier im Tempel geschahen. Er nahm die linke Hand Olympias und legte sie in die rechte Hand seines Herrschers. „Den Segen der Götter, die Treue des Volkes, gute Stunden und zahlreiche Kinder!“ sagte er mit fester Stimme.
Nun schritt Aristandros, der Hohepriester Makedoniens, dazu und legte seine beiden Hände auf diesen Bund: „Hiermit segne ich dieses Bündnis und der Tempel behütet euren Eid. Ihr seid von nun an gleichberechtigte Gefährten, unabhängig von eurem weltlichen Rang und Titel.“ Aristandros legte ein Band um beider Hände, welches das zukünftige Bündnis symbolisierte und zog es fest zusammen.
Dann sprach er fort: „Nun vollzieht eure Ehe und zeugt das Gefäß des Pharaos, der mit dem Schwert die Welt pflügen wird, damit gesunde Saat emporsprieße!“
Olympias nahm Philipp bei der Hand und als sie ihn zu Boden drückte, um sich auf ihn zu setzen, sahen es die übrigen Zeugen schon nicht mehr, denn sie hatten diesen inneren Tempelbereich bereits verlassen.
Entweder man findet einen Weg oder man schafft einen Weg!