Alexander, wie alles begann
#3
Olympias, die Mutter Alexanders

Der Komet wird zu einem langen Blitz im Dunkel, das er zerfetzt. Krachender Donner folgt, Woge um Woge, als wollte er nie enden. Dann weitere Blitze, die sich langsam entfernen; der Donner wird leiser. Unter dem trüben Himmel eines späten Nachmittags knien vier Frauen vor einem weißen Altar. Er ist bedeckt mit Taubenkot. Dahinter und seitlich stehen knotige Eichen. Auf den Ästen und in den Zweigen hocken Tauben; einige flattern fort, andere landen.

Eine der Frauen ist schwarz; sie trägt ein ägyptisches Priestergewand und kostbaren Kopfschmuck. Die zweite Frau ist gelb und in ein fast durchscheinendes, eng anliegendes Gewand aus gelber Seide gehüllt; ihre Augen sind wie Schlitze, die Wangenknochen hoch. Die dritte Frau ist weiß und hellblond; sie hat blaue Augen und trägt ein ledernes Jagdgewand. Die vierte Frau, die jüngste der vier, ist nackt bis auf einen knappen weißen Chiton; ihr Haar ist wie brennende Kastanie. Sie ist üppig; das Gesicht strahlt Sinnlichkeit aus, aber auch dämonische Willenskraft.

Der Donner kommt leiser, aus größerer Ferne. Der Wind wird stärker, raschelt in den Eichen, reißt einen der um kleine Zweige gewickelten Papyrosstreifen ab. Die Tauben gurren und seufzen. Die drei Frauen scheinen zu lauschen, die Jüngste blickt zwischen ihnen und dem Altar hin und her.

Die schwarze Ägypterin bewegt den Oberkörper rhythmisch vor und zurück. Zunächst murmelt sie etwas, dann singt sie monoton, immer lauter:

»Ammon - Ammon - Ammon ...« Wieder und wieder sagt sie den Namen, schrill und tief, lauter und leiser, bis der Platz um den Altar vom Namen des G*ttes widerhallt. Der ganze Ort schwingt in der Frequenz des Namens.

Die Frau in gelber Seide nimmt ein Eichenstöckchen und malt in den Staub einen Kreis, halbiert ihn durch eine Wellenlinie, bringt in beiden Hälften je einen augenartigen dicken Punkt an, schraffiert eine Hälfte.

Die Hellblonde wirft den Kopf hin und her, bis ihr Haar das Gesicht bedeckt.

Die Schwarze beendet die Anrufung des G*ttes und blickt die jüngste der Frauen an. »Die Götter haben deinen Vater, den König, früh zu sich gerufen, Olympias.«

Die Weiße spricht durch den Haarvorhang. »Er war ein guter Mann, aber zu früh hat er den Nabelstrang durchtrennt, der Menschen an diese Welt bindet. Dein Oheim ist eingeweiht.«

Die Gelbe: »Er ist Herrscher und Priester. Er hat dich zu uns gebracht. Es ist sein Wille, daß der Wille der Götter geschehe.«

Die Ägypterin: »Olympias, du wirst den Heiligen Hain von Dodona verlassen. Du wirst zum Tempel des Ammon reisen der auch Bel-Marduk ist. Der Tempel auf der Insel Samothrake. Dort wirst du in die übrigen Mysterien eingeweiht, und für eine Zeit wirst du Hetaira sein im Tempel.«

Der Wind nimmt zu, weht das Haar aus dem Gesicht der Weißen, als sie weiterspricht. »Olympias, ein großer dunkler Krieger und Herrscher wird nach Samothrake kommen. Er wird sich dort von Blut reinigen, das er vergossen hat. Du wirst ihn sehen, er wird dich sehen. Du wirst seinen Sohn gebären, das neue Gefäß, das Ammon auserwählt hat. Er wird die Welt verwandeln.«
Der Wind ist nun beinahe zum Sturm geworden und verweht ein Teil dessen, was die Gelbe sagt. Sie hält den Kopf gebeugt; beim Sprechen betrachtet sie den Wellenkreis auf dem Boden. »Dein Sohn Olympias, Gefäß des G*ttes, auserwählter Sohn des Ammons, der Zeus ist und Bel-Marduk und ... wird er sein Alles für Alle, G*tt und Mensch, Vater und Sohn, Mann und Frau, Feind und Freund ... die Welt zerstören und heilen. Er wird zweifeln und glauben ... den Ungläubigen Glaube sein. Er wird jung sterben und unsterblich leben. Alle Gaben sind sein, mehr als je ein Sterblicher besaß, und er wird alles verschenken. Alle Gewalt, gut und schlecht, Demut und Anmaßung, und ...«

Ein Kugelblitz birst vielfarbig neben den Frauen und dem Altar; er tilgt das kreisförmige Zeichen auf dem Boden. Donner, Regen und rauschende Eichen übertönen alles. Die Frauen stehen auf; schrilles Gelächter schneidet durch die anderen Geräusche. Die drei Priesterinnen fassen einander bei den Händen. Für Momente wird der Sturm leiser; die Weiße sagt: »Wir drei sehen uns wieder.« Ihre Gesichter altern jäh; dann lösen sich die drei Frauen auf und werden zu Nebel, den der Sturm verweht.

Olympias wendet sich vom Altar fort. Sie ist durchnäßt und bebt. Sie hebt die Arme zum dunklen Himmel; in ihrem Gesicht mischen sich Angst und Grauen mit Lust und Triumph.
Entweder man findet einen Weg oder man schafft einen Weg!
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Alexander, wie alles begann - von Paganlord - 07.05.12005, 14:16
RE: Alexander, wie alles begann - von Erato - 22.10.12024, 17:10
[Kein Betreff] - von Paganlord - 07.05.12005, 14:47
[Kein Betreff] - von Paganlord - 07.05.12005, 16:26
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[Kein Betreff] - von Paganlord - 02.03.12008, 15:16

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