13.08.12006, 12:19
Paganlord schrieb:Was mich hauptsächlich bei Alesia stört waren Pläne gewisser geisteskranker oder besoffener Kelten. Sie wollten doch in Alesia tatsächlich die Frauen, Kinder und Alten verspeisen, da ihnen und ihrer 100.000 Mann Armee die Reserven ausgingen. Da die anderen Alkis trotz ihrem Suff sich übergeben mußten schon bei dem Gedanken daran, hat man dann entschieden, die besagten "nicht-wehrfähigen-Menschen" aus Alesia rauszujagen und sie den Römern zu überlassen. Doch die Römer konnten (inzwischen auch belagert) keine zusätzlichen Esser gebrauchen. Also sind die keltischen Frauen, Kinder und Alten zwischen den Frontlinien verhungert. Caesar hat sie nicht genommen und Vercingetorix hat sie nicht zurückgelassen.Angeregt durch eine Dokumentation habe ich da mal ein bissel geforscht - und ich denke, hier liegst Du grundlegend falsch, werter Lord. Diese Interpretation der Geschehnisse entbehrt schlichtweg der Logik.
Das Sterben dauerte mehrere Wochen und beide Heere mußten zusehen wie die Menschen verhungerten. Den Römern wurde die Grausamkeit der keltischen Barbaren vor Augen geführt und das stachelte ihren späteren Kampfesmut zusätzlich an. Kein Römer, ob Hochgeboren oder niederer Herkunft- wäre jemals so mit seinen Familien verfahren! Denn Römer hatten dignitas, eine besondere Form der "Ehre", die soetwas niemals zugelassen hätte.
Im Gegensatz zu den Römern gab es bei den Kelten schon lange Gesetze, die die Versorgung von Kindern, Frauen, Alten und Kranken gewährleisteten.
Bei den Römern war es sogar erlaubt, ungewollte Kinder auf den Müll zu schmeißen - das dann auch zum Thema dignitas. Frauen hatten nicht einmal Bürgerrechte. Was die Gesellschaftsstruktur der Kelten anbelangt - vielleicht schreibe ich da mal gesondert mehr darüber. Die war jedenfalls um einiges humaner, als die der Römer und Griechen jener Zeit.
Und schon aus diesem Grund halte ich den von Dir geschilderten Ablauf für höchst unwahrscheinlich.
Ich schätze, es war wirklich eher so, daß Vercingetorix, als die Nahrungsmittel während der Belagerung zu knapp wurden, Frauen, Kinder und Alte aus Alesia schickte (von jagen kann da wohl kaum die Rede sein), weil man nicht damit rechnete, daß Caesar sie nicht durchlassen würde (das entsprach nämlich sehr viel weniger der keltisch-gesellschaftsstrukturellen Denkweise, denn der römischen).
Genau darauf muß es dann aber wohl hinausgelaufen sein. Wäre es anders gewesen, hätte Frauen und Kinder wohl kaum wochenlang an Ort und Stelle ausgeharrt, in der Hoffnung, die Römer würden es sich vielleicht doch noch anders überlegen und ihnen Nahrung geben - sie wären fortgegangen.
Statt dessen hat Caesar sie als Druckmittel benutzt, in der Hoffnung, Alesia würde erneut geöffnet werden. Nur mal im Ernst - was hätte das denn gebracht? Von dem zu erwartenden Angriff der Römer im selben Augenblick mal abgesehen - mehr Nahrung wäre ja auch nicht dagewesen und so wären sie eben innerhalb der Mauern verhungert, statt außerhalb.
Ich denke, es war gerade umgedreht - da wurde den sogenannten Barbaren die gnadenlose Graußamkeit der römischen Belagerer vor Augen geführt.
Nicht nur, weil meine Symphatie klar bei den Kelten liegt, sondern weil eine andere Interpretation übergeordnet betrachtet einfach keinen Sinn ergibt.
Das ist übrigens nicht die einzige römische Geschichtsverdrehung, die meiner Ansicht nach stattgefunden hat. Worin die Römer den meisten Völkern überlegen waren, das war in erster Linie Struktur und Disziplin des Militärs. Das ist aber auch schon beinahe alles (man beachte auch beispielsweise Karthago).
Dummerweise wird Geschichte eben immer von den Siegern geschrieben.
Darum sind heute offiziell auch die Deutschen die Buhmänner der Geschichte, nicht die Amerikaner.