Die elegante Erscheinung
#1
Eleganz ist Gewähltheit. Im Auftreten, in der Sprache, im Benehmen, in der Kleidung. Die Kleidung ist aus guten Materialien, gereinigt, gebügelt und gebürstet, und von daher schonmal unangreifbar. Sie muß nicht zwingend neu sein, und auch nicht unversehrt, aber alles muß gut, besser noch perfekt, ausgebessert sein, wenn was kaputt war. Abgelaufene Absätze können nicht elegant sein, und abgewetzte Ellenbogen auch nicht.

Eleganz nimmt sich zurück, schreiende Farben funktionieren damit nicht und auch keine individuellen Formen.

Eleganz hat mit Unfehlbarkeit zu tun, mit Unangreifbarkeit, auch mit Einfügen in Normen, bzw. diesen zu entsprechen. Sie ist bestimmt. Aber nicht unbedingt vom Träger selbst, sie ist also oft das Gegenteil von Individualität. Und ich meine, daß genau das der Grund ist, daß es heute weniger Eleganz auf den Straßen zu sehen gibt.

Das ist aber nicht nur ein Vorteil, daß es weniger Eleganz und mehr Individualität gibt, wie man meinen könnte. Eleganz ist nämlich auch Disziplin. Sich Gehenlassen, sich Ausleben, das kann nicht mit Eleganz einhergehen. Es gibt keine Eleganz ohne Disziplin. (Allerdings schon Disziplin ohne Eleganz).

Elegant ist alles Unaufdringliche, das gleichzeitig als angenehm oder sogar schön empfunden wird. Sobald es einen Punkt gibt, der Widerspruch hervorrufen könnte (z.B.: „Der Rock ist allerdings ein bißchen kurz“), ist es nicht mehr elegant.
Auch die „große Robe“, schick und pompös, vor der alle mit offenem Mund stehenbleiben und „Toll!“ ausrufen, ist nicht elegant. Elegant ist, was ein angenehmes Gefühl hervorruft, aber kaum bewußt bemerkt wird.

Elegantes Verhalten, z.B. die elegante Verhandlungsführung in Geschäften, führt zum Ziel, ohne daß das Gegenüber sich beeinträchtigt fühlt. Sondern er empfand die Verhandlungen dann als angenehm, und selbst wenn er übervorteilt wurde, und das hinterher bemerkt, kann er anerkennend darüber schmunzeln.

Eleganz ist nämlich nicht etwa Hochstapelei. Es geht nicht um‘s Verschleiern oder Vorspiegeln von etwas. Sondern um’s Zurücknehmen des Selbst, um Zürückhaltung üben. Als Understatement sozusagen. Darum, die eigene Individualität nicht anderen aufzudrängen. Es geht schon auch darum, Neutralität zu wahren, was vor allem das Äußere angeht.

Das hört sich jetzt vielleicht alles ganz gut an, aber Eleganz hat auch ihre Stolpersteine. So kann ein sehr eleganter Mann unseriös wirken, oder eine sehr elegante Frau arrogant oder gar dumm. Warum? Weil man davon ausgeht, wer soviel Aufwand für Äußeres treibt, hat weniger Ressourcen für anderes. Außerdem zeigt man damit kein eigenes Profil und wird in der Wahrnehmung damit u.U. zum windigen Gesellen. Und manchmal trifft das alles ja auch zu.

Mein Fazit: Eleganz hat gute Elemente, aber in Perfektion ist sie nicht an sich erstrebenswert. Es kann zulasten von Ehrlichkeit und Ernsthaftigkeit gehen, und damit wird die günstige Wahrnehmung, die an sich damit einhergeht, zunichtegemacht.
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#2
Ein sehr schöner Artikel. Gefällt mir ausserordentlich gut.

Zitat:Eleganz hat gute Elemente, aber in Perfektion ist sie nicht an sich erstrebenswert.

Perfektion hat etwas mit "übersteigerter Logik" zu tun. Also dein Fazit ist ganz richtig: "Schlichte Eleganz" hat etwas unwahrscheinlich 'stilvolles' an sich.
Tue was immer ich will!
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#3
Hast Du das selbst geschrieben? Das ist in der Tat sehr gut. Toller Beitrag zum Thema Etikette!
Entweder man findet einen Weg oder man schafft einen Weg!
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#4
Ja natürlich, das habe ich selbst geschrieben. Ich befasse mich gern mit Farben, Formen, auch mit Strukturen, also Oberflächen usw., ihrer Wirkung, ihrem Zusammenwirken, und außerdem auch speziell sehr gerne mit Mode und ihren Erscheinungsbildern. Und das ging mir halt so durch den Kopf, und ich dachte, das ist hier vielleicht auch von Interesse.

Freut mich ja sehr, daß es Euch was sagt.
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#5
Jetzt musste ich laut lachen bei Deinem letzten Satz. Ich weiß natürlich, dass Du es anders gemeint hast, aber das klang so, als ob man hier mit Etikette und (geistiger) Eleganz nichts anzufangen weiß. Wow

Liest sich so, also ob Du Dich damit schon länger beschäftigt hast und es nicht eben mal so runtergeschrieben hast.
Im A & O das Geheimnis liegt - Omega siegt!
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#6
Ein sehr interessanter Beitrag!

(11.12.12013, 08:16)Andrea schrieb: https://www.pagan-forum.de/post-46072.html#pid46072Eleganz hat mit Unfehlbarkeit zu tun, mit Unangreifbarkeit, auch mit Einfügen in Normen, bzw. diesen zu entsprechen. Sie ist bestimmt. Aber nicht unbedingt vom Träger selbst, sie ist also oft das Gegenteil von Individualität. Und ich meine, daß genau das der Grund ist, daß es heute weniger Eleganz auf den Straßen zu sehen gibt.

Das ist absolut korrekt!
Fast jeder meint heute individuell zu sein, dabei sind alles doch nur Herdentiere verschiedener Gruppierungen. Man kann sie anhand ihrer Kleiderwahl, ihres Auftretens, ihrer Artikulation, den Orten, an denen sie sich bevorzugt aufhalten etc. erkennen und entsprechend einordnen. Ich schreibe absichtlich einordnen, da diese gedanklich oftmals unbewußte Vorgehensweise die (erhoffte) Individualität genau in jenem Moment aufhebt!


Zitat:Das ist aber nicht nur ein Vorteil, daß es weniger Eleganz und mehr Individualität gibt, wie man meinen könnte.

Ich kann an Disziplin nichts unvorteilhaftes erkennen.
Wie im Absatz darüber schon erwähnt, individuell ist lediglich die Wahl der Gruppe in der Herde! Biggrin


Zitat:Elegant ist alles Unaufdringliche, das gleichzeitig als angenehm oder sogar schön empfunden wird.

Schlichtheit besitzt Eleganz. Das teile ich mit Wishmaster.


Zitat:Mein Fazit: Eleganz hat gute Elemente, aber in Perfektion ist sie nicht an sich erstrebenswert. Es kann zulasten von Ehrlichkeit und Ernsthaftigkeit gehen, und damit wird die günstige Wahrnehmung, die an sich damit einhergeht, zunichtegemacht.

Es gibt dennoch Menschen, die wirken auch elegant gekleidet und elegant in ihrem Benehmen noch authentisch ...
Kein besserer Freund – kein schlimmerer Feind!
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#7
(13.12.12013, 10:42)Hernes_Son schrieb: https://www.pagan-forum.de/post-46142.html#pid46142Jetzt musste ich laut lachen bei Deinem letzten Satz. Ich weiß natürlich, dass Du es anders gemeint hast, aber das klang so, als ob man hier mit Etikette und (geistiger) Eleganz nichts anzufangen weiß. Wow

*lach* ... daß man offenbar auch verstehen kann, was ich ausdrücken wollte. - So wäre es besser gesagt. Und noch eindeutiger: ...daß ich mich auch verständlich ausdrücken konnte.


Zitat:Liest sich so, also ob Du Dich damit schon länger beschäftigt hast und es nicht eben mal so runtergeschrieben hast.

Und nun mußt Du Dir anhören, wie es dazu kam. WowHerz

Ist gleichzeitig vielleicht eine kleine Modeschule, also vielleicht auch allgemein interessant.

Ich sah eine Frau in einem wunderschönen kurzen Nerzcape (vom Pelz abgesehen, das mag ich nicht so), in einem wunderschönen Rot, einen ganz kleinen Stich ins Orangene gehend. Dazu trug sie kniehohe Stiefel in der gleichen Farbe, mit breitem Absatz, vielleicht 4, 5cm hoch, also keine Stilettos oder so, vorne breit geschnitten wie ein Kinderschuh, aber doch noch schmal und zierlich wirkend. Die Stiefel sahen sehr hochwertig aus, was man daran sah, daß der obere Rand eine sehr schön geschwungene Form hatte, das Leder sich um die Fessel sehr schön bewegte, ohne zusammenzufallen oder bretthart unbeweglich zu sein, eindeutig auch ledergefüttert. Die Frau war vielleicht 50, 60 Jahre alt, dunkelhaarig, mit hübscher Frisur, und bewegte sich auch noch anmutig. Sie trug eine riesige Plastiktüte eines sehr teuren Labels. Mir fiel sie halt auf. Ich würde sagen, sie war auch nicht „im Shopping-Fieber“, sie war Einkaufen.

Aber sie hat dennoch keinen guten Eindruck bei mir erweckt. Was hat sie richtig gemacht und was nicht? (was Eleganz angeht)

Richtig gemacht hat sie, daß alles sehr gewählt war. Die Materialien waren toll, ließen alles so wunderbar fließen, es war schon erstmal ein Genuß, sie zu betrachten. Die Farben paßten zusammen. Aber die Farben waren eben zu grell, zu aufdringlich hervorstechend, und dann noch Rot, eine Signalfarbe. Allein, daß ihre Schuhe an Kinderschuhe erinnerten, „rettete“ sie, nicht eventuell wie eine Edelnutte zu wirken. Außerdem ihr Gesicht, das einen sympathischen Ausdruck hatte, nämlich freundlich und klug aussah. Und natürlich die Schuhe, die keine Stilettos waren, sondern flach und fast niedlich in der Form.

Und ich dachte: Schade. Schade, daß sie die Perfektion so auf die Spitze getrieben hat. Schade, daß ihr Rock für ihr Alter zu kurz war. Schade, daß sie diese Farbe so dominant eingesetzt hat. Schade, daß sie den Eindruck macht, als müßte man sie für diesen Perfektionismus schon fast bedauern, weil sie sich etwas nimmt, statt gibt, wozu sie meiner Einschätzung nach durchaus in der Lage gewesen wäre. Schade, weil sie, da sie so freundlich und klug aussah, den Eindruck machte, als würde sie etwas mit Äußerem füllen wollen, was sie sicherlich wirklich füllen könnte.

An einem 7jährigen Mädchen wäre es perfekt gewesen. Natürlich nicht in Nerz, und vielleicht noch ein weißes Krägelchen dazu.

Und dann ist mir noch ein Mann aufgefallen, in einer teuren Jeans mit „ausgesuchter Waschung“, also bloß nicht zuviel, aber auch bloß nicht nichts, weil es ja modern und jung ist mit Waschung (es war zuviel für sein Alter, vielleicht 45 Jahre), perfekt geschnittene Fönfrisur, die aber zu lang war für sein borstiges Haar, (es wirkte ein wenig weibisch), ein kariertes Hemd in drei Farben, grün, blau, weiß, dazu ein grauer, hochwertiger Handstrickpulli mit Label aufgenäht, groß genug, daß er gleich aufmerkte. Das ist bei mir meist sowieso gleich untendurch, muß ich sagen. Derbe, aber hochwertige Schnürschuhe, die Hemdfarben tauchten da wieder auf, grün und blaues aufgenähtes Ding an den Schuhen. Alles sah nagelneu aus, und man erwartete fast, daß die Preisetiketten gleich irgendwo vorbaumeln. Dazu ein Gesicht, das nicht häßlich war, aber hart, hochmütig und hohl wirkte. Dazu Körperbewegungen, die zwingenwollend wirkten. Trampelnd, Arme fast auf eine brutale Art werfend.

Hätte ich den länger betrachtet, wäre sicher noch eine sehr teure Uhr, und vielleicht ein ebensolcher Ring, zum Vorschein gekommen, und irgendwann noch eine teure und hochwertige, natürlich makellose, Reisetasche, sonstige Tasche. Aber sein Anblick lud halt nicht zum Verweilen ein, daher habe ich nicht weiter hingesehen. Der fährt auch ein „Angeberauto“, also ein Auto, mit dem er „was Zeigen“ will, nicht fahren, und das er auch nicht deshalb hat, weil ihm das wirklich in seinem Inneren gefällt. Das fehlt dann nicht – da bin ich sicher.

Was hat der falsch gemacht? Den Gesichtsausdruck kann schwer was ausgleichen. Aber was er an sich falsch machte, es war zu bemüht, alles teuer und gut ausgesucht wirken zu lassen, es war zu bemüht um Wirkung (um die „ich bin lässig, aber edel, und kann mir das Lässige erlauben, weil ich toll bin-Ausstrahlung“).

Und da ging mir so durch den Kopf, warum diese Wirkungen? Die Frau war „todschick“, wie man so sagt. Aber warum wirkte sie nicht elegant? Der Mann, alles ausgesuchte Teile, aber er wirkte nicht mal im Ansatz elegant (es gibt auch die Eleganz auf mehr rustikale Art, es muß nicht Seide und Brokat oder feiner Wollstoff sein).

Bei der Frau kann man es fast schon auf die Farbe, aber auch das Material Nerz runterbrechen. Bei dem Mann war ja meiner Meinung nach eh Hopfen und Malz verloren. Es kommt schließlich auch auf das Wesen an. Das habe ich oben etwas vernachlässigt, weil ich das hier nicht so wichtig fand, aber einen kleinen Einschub habe ich ja gemacht.

Na, und dann dachte ich, eigentlich wirklich interessant, das schreibe ich mal auf für Euch. Und es hat so zwei Stunden gedauert.

So, lieber Hernes Son, nun weiß Du alles, was Du vielleicht gar nicht so ausführlich wissen wolltest. Aber Du hast es schon ein bißchen herausgefordert.

Liebe Grüße an Dich und an alle
Andrea
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#8
(13.12.12013, 12:31)Hælvard schrieb: https://www.pagan-forum.de/post-46147.html#pid46147Ich kann an Disziplin nichts unvorteilhaftes erkennen.

Ich auch nicht, Haelvard. Winken

Zitat:Es gibt dennoch Menschen, die wirken auch elegant gekleidet und elegant in ihrem Benehmen noch authentisch ...

Selbstredend. Ich bin durchaus ein Befürworter der Eleganz.

Ich selbst bin übrigens nicht so oft elegant gekleidet. Eher unkonventionell und erdig-bunt. Aber ich "kann" natürlich auch elegant. Es ging mir jetzt nicht darum, daß Eleganz das einzig und immerzu Erstrebenswerte ist. Ich finde, man sollte aber auf jeden Fall "elegant können", wenn angezeigt. Ich fühle mich halt meist eher "bunt", und finde das für mich in Ordnung, und so kommt es eben auch in der Kleidung zum Vorschein, und da geht die Eleganz dann doch meist flöten.
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#9
Ganz genau, und Eleganz ist nicht nur eine Frage der Kleidung, sondern auch eine der Bewegung und Gesamtästhetik eines Menschen.
Sei!
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#10
Eleganz hat in meinen Augen auch mit Mut zu tun.
Nicht selten wird es zusammen mit Anmut genannt.
Ich mute mir an meine Überzeugung, mein Leben und mich zu tragen, und nicht zu verstecken.
Elegant ist ein selbstbewusstes Auftreten.
Dazu gehört auch natürliches Auftreten und Naturverbundenheit. Wer über die Erde trampelt, und nicht achtet, wo und wie sein Schritt landet, kann mit den feinsten Kleidern nicht elegant sein.
Während der Landstreicher aus Überzeugung in seinen wohlgepflegten wenigen praktischen Klamotten manchmal ungeahnte eleganz zeigt, wenn er sich durch den Wald bewegt. Es scheint als würde er da hin gehören. Ist ein Teil davon. Er lebt.
In Plastikklamotten elegant zu wirken kann ebenfalls nur kläglich scheitern. Naturprodukte und Naturfarben sind es, die dem Auge bequem sind.
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