Britische Regierung will nationales Straßennetz privatisieren
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Wer sich hier über unsere privatisierte Bahn oder das zerschlagene Postbeamtentum aufregt, sollte mal rüber zu den Briten schauen.

Britische Regierung will nationales Straßennetz privatisieren

Im Rahmen der Privatisierungskampagne, die unter dem Slogan "Big Society" läuft, kündigte der britische Premier Cameron heute an, das nationale Straßennetz an interessierte Investoren aus dem In- oder Ausland verkaufen zu wollen. Er erinnerte daran, dass das "nationale Erbe" nicht nur in der Sprache und Kultur liegt, sondern auch in der vorbildhaften Infrastruktur aus Brücken, Eisenbahnschienen und Atomkraftwerken. Auch jetzt noch würden britische Architekten wie Norman Foster, Richard Rogers oder Zaha Hadid in China Flughäfen, in Frankreich Eisenbahnbrücken und in Deutschland Fabriken bauen.

Ein Problem allerdings sei, dass der schuldenverstrickte Staat das Geld in den Erhalt der bestehenden und seit Jahrzehnten verfallenden Infrastruktur stecken müsse und keine Ressourcen habe, Neues zu bauen. Großbritannien falle zurück und könne den Anschluss an die Zukunft verlieren. Der Planungsprozess bei Großbauprojekten dauere viel zu lang. Der Bau von Terminal 5 des Flughafens Heathrow habe 20 Jahre gedauert.

Derart an den nationalen Stolz appellierend will Cameron den Briten die Privatisierung schmackhaft machen, durch die angeblich alles besser und billiger würde, was die Menschen angesichts der vielen Probleme mit der bereits seit 1993 privatisierten Bahn, in die mehr Steuergeld fließt und für die die Kunden mehr als zuvor zahlen müssen, wohl nicht wirklich überzeugen wird. Der Staat könne die Infrastruktur nicht finanzieren, aber seine Macht sei wichtig, um die Dynamik des Marktes anzustoßen.

Um Verkehrsstaus zu beheben, an denen nichts grün sei und die die Wirtschaft belasten, müsse man nicht nur mehr Menschen und Güter auf die Schiene bringen, sondern auch neue Spuren für die überfüllten Autobahnen bauen. Jährlich sieben Milliarden Pfund würden durch Staus verschwendet werden. Die letzte Regierung habe gerade einmal 25 neue Autobahnmeilen gebaut.

Aber für große Investitionen fehle das Geld. Die Einführung von Autobahngebühren könne das Problem lindern, man werde dies aber nur für neue Kapazitäten, beispielsweise für die A14 machen. Man müsse aber ehrgeiziger sein und auch die Straßen wie das Wasser vom Privatsektor betreiben und staatlich kontrollieren lassen: "Wir müssen dringend nach Optionen Ausschau halten, große private Investitionen in das nationalen Straßennetz zu erhalten." Cameron denkt dabei u.a. an Pensions- oder Aktienfonds. Das Verkehrsministerium wurde beauftragt, bis zum Herbst eine Durchführbarkeitsstudie für den Besitz und die Finanzierungsmodelle vorzulegen.

Zum Umbau der britischen Gesellschaft, wie er vornehmlich von den Konservativen forciert wird, gehört nicht nur die Privatisierung - auch die heftig umstrittene Privatisierung des Gesundheitssystem NHS steht an -, sondern auch Steuererleichterungen für die Wohlhabenden. So soll die unter Labour eingeführte Reichensteuer für Einkommen ab 150.000 Pfund von 50 Prozent auf 45 Prozent gesenkt werden, vermutlich werden die Liberalen dafür einen Mindeststeuersatz für Reiche (tycoon tax) durchsetzen können.

Gleichwohl kündigte Finanzminister George Osborne an, dass der Haushaltsentwurf, den er am Mittwoch vorstellen wird, für die arbeitende Bevölkerung mit mittlerem und niedrigem Einkommen sein werde. So wird das Kindergeld für ein Einkommen ab 43.000 Pfund gestrichen, Einkommen bis 10.000 Pfund sollen steuerfrei sein, Steuerschlupflöcher sollen geschlossen werden, beispielsweise für die Grundstückstransaktionssteuer. Die Benzinsteuer wird hingegen steigen.


Quelle: http://www.heise.de/tp/blogs/8/151642
von Florian Rötzer
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