Glückliche Kühe
#2
.... mal hier gepostet wobei es bei "Krank durch Nahrung" durchaus auch seinen Platz hätte.

Inspiriert durch des Wolfes Bild in einem anderen Beitrag, das eine nette, rationale, menschengemachte Stallform darstellt, kann ich nicht umhin, mal die Bio-Fraktion der "glücklichen Kühe" ein wenig zurecht zu rücken. Man möge mir verzeihen, ich befinde mich gerade im RKW und aus meinen Zeilen spricht der pure Neid, da ich auf Milch und Milchprodukte verzichten muß.

Fangen wir mal mit "früher" an: da stand eine Bio-Kuh auf Stroh, zwar an einer Kette, in einem z.B. Mittellangstand. Dabei wurde jeder Kuh so viel seitlicher Platz bemessen, daß sie sich hinlegen konnte. Täglich wurden die Kühe morgens nach dem Melken auf die Weide gebracht, abends wieder reingeholt. Der Bauer kannte jede Kuh mit Namen und manchmal konnte man ihn auch dabei ertappen, daß er sie dankbar, in sich selbst versonnen, gestreichelt hat. Die Kühe hatten damals tatsächlich noch diese furchterregenden Hörner dran, die ein Leben lang gewachsen sind und je nach Alter entsprechend lang waren. Und es gab immer wieder Kühe mit außergewöhnlich langen Hörnen.
Dann kam eine Revision in den Bio-Richtlinien, die Liegebreite betreffend: es mußte sich nur noch jede zweite Kuh hinlegen können. Dadurch war man dann in der Lage, noch mehr Kühe in einer Reihe zu halten, war auch notwendig, schließlich kam der Bio-Markt allmählich in Schwung. Gut für den Bio-Bauern, zumindest eventuell, denn damals gab es ja noch die Milchkontingentierung... - und für die Kühe? Naja, so viel Grips kann man ja schon von ihnen verlangen, daß sie sich abwechselnd hinlegen oder Nummern ziehen wer gerade liegen darf und wer steht oder wie auch immer. Die Kühe hatten die Freiheit es selbst zu entscheiden. Auch wurden Kühe damals noch zum Stier geführt und haben Sex gemacht (entweder man hatte selbst einen Stier oder es gab einen "Dorfstier" und dieser Casanova durfte dann alle Kuhdamen des Dorfes beglücken).

"Vor einiger Zeit": dann kamen auch die Laufställe bei den Bio-Bauern in Mode. Schließlich mußte man ja mit der Zeit gehen und sich als innovativ (im Sinn von Geld verdienen) und fortschrittsaufgeschlossen zeigen. Der Bauer war nun Landwirt. Außerdem sind Laufställe unbedingt als kuhfreundlich einzustufen, schließlich ist das arme Tier nicht mehr angehängt und kann völlig frei im Stall herumlaufen. Nachdem es gelernt hat, sich auf dem glitschigen, weil versch....... Spaltenboden zu bewegen, erwartet es eine gemütliche Liegebox, fast schon so etwas wie ein eigenes Appartment. Nur die Hörner waren den Bio-Kühen dabei im Weg - welch Dilemma. Der Mensch, findig wie er nun mal ist, hat flugs ein wenig an der Genetik herumgebastelt und hornlose Bio-Kühe erschaffen! Und wo es nicht schnell genug ging haben die Bioverbände, findig wie sie nun mal sind, Ausnahmegenehmigungen geschaffen und die gestressten Landwirte duften ihren Kühen die Hörner "abnehmen", heißt: meistens abflexen. Geht auch ganz einfach: Kuh fixieren sodaß sie sich nicht mehr rühren kann und dann die Flex nahe des Schädels ansetzen und zack! Naja, ein bißchen blutig war das schon, so durch den Knochen durch, übrigens in der Regel ohne Sedierung und Schmerzmittel, kostet ja alles Geld und außerdem ist diese Chemie ja nicht mehr so ganz "bio".... und der Fortschritt fordert eben seine Opfer. Die nun hornlosen, sondergenehmigten Bio-Kühe wurden dann mit den neuen Genstieren künstlich besamt und die nächste hornlose Generation war gesichert. Der noch vorhandene Nachwuchs, dem die Hörner wachsen würden, wurde mit Säure oder Brenneisen "behandelt". Zum melken durften die Tiere dann in Melkstände, eine feine Sache, sauber und steril, minimaler menschlicher Aufwand. Und schon waren alle Kühe glücklich, endlich ohne dieses blöde Horn da und in einer schönen, neuen Eigentumswohnung. Auch wenn sie manchmal vielleicht das saftige Grün "da draußen" vermißt haben, denn fortan gab es auch Ausnahmeregelungen, daß Kühe nicht unbedingt "raus" mußten, dafür hat ihr Landwirt ja umsomehr davon reingebracht und ihnen per Ladewagen und Radlader (z.B.) vor die Nase geschmissen. Die glückliche Kuh mußte sich nicht mehr selbst ihr Futter auf der Wiese suchen. Das war auch die Zeit, in der die Kühe statt Namen Nummern bekamen.

"Heute" stehen in den Bio-Fabriken (welch ein Unwort, ich bitte ausdrücklich um Verzeihung bei den sensiblen, verträumten Gemütern) noch mehr Kühe - glücklich und genetisch verändert hornlos versteht sich, das Gemetzel der Enthornung ist schon lange graue, Entschuldigung: grüne Vergangenheit. Bio-Milchkühe, die saftige Kräuter auf den Wiesen fressen sind sehr selten geworden und eine aussterbende Spezies was aber nichts macht, denn die Werbung fängt es ja auf und zeigt entsprechende Bilder. Immerhin gibt es zum Glück ja noch die Almen, die müssen dann für eine heile Flimmerwelt herhalten. Heutzutage genießen glückliche Milchkühe auch wieder den Vorteil fressen zu können wann sie wollen. Ein Transponder macht's möglich und so genießt jede einzelne Kuh genau auf ihre Bedürfnisse abgestimmt, häppchenweise ihr Menü. Auch muß sie sich nicht mehr in Reih' und Glied zu vorgegebenen Zeiten in einen Melkstand begeben und dort vom Menschen begrapschen lassen. Die moderne Kuh eines Unternehmers (früher hießen sie Landwirte) genießt den Luxus, sich ihre Melkzeiten selbst wählen zu können. Wenn also das Euter zwickt, geht sie in den Melkroboter, der Erleichterung verschafft und via Transponder alles genau registriert.

Hach, es ist einfach schön, wenn man mit gutem Gewissen seine Bio-Milch und seinen Bio-Käse, ansprechend abgepackt, genießen kann und dabei mit träumerisch, verklärtem Blick von blumendurchsetzten, saftigen Wiesen und glücklichen Kühen träumen kann.



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ioo - von Wolf - 05.03.12012, 22:33
RE: Glückliche Kühe - von Wishmaster - 11.03.12012, 12:47
RE: Glückliche Kühe - von Nino - 11.03.12012, 16:07
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