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"Feldbefreiung" - Ein Gentechnik-Gegner geht ins Gefängnis - Druckversion

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"Feldbefreiung" - Ein Gentechnik-Gegner geht ins Gefängnis - Hernes_Son - 22.04.12009

Ein Gentechnik-Gegner wird demnächst ins Gefängnis gehen, weil er MON 810-Mais ausgerissen hat.

Es wäre keine politische Entscheidung, sondern eine fachliche, beschied Agrarministerin Aigner am Dienstag, als sie Pflanzung und Vertrieb von genmanipuliertem Monsanto-Mais, Sorte MON 810 verbot und sich auf neue Studien berief. Demnach hätten nicht die 72 Prozent der bayrischen Landwirte, die den Gen-Mais ablehnen, ihre Rolle bei dem Beschluss gespielt, sondern Expertengutachten. Rund 70 Prozent der Landwirte sind es bundesweit, laut Greenpeace, die die gentechnische Lebensmittelwirtschaft nicht wollen.

Quasi in letzter Minute kam das Verbot, denn die Zeit der Aussaat wäre zum Ende April wieder fällig gewesen. Spricht das Agrarministerium nun offiziell von Gefahren, die von MON 810 auf die Umwelt ausgehen könnten, so bleibt das eigenmächtige Ausreißen der Maiskolben aus dem Boden dennoch strafbar. Ein Berufsimker aus der Initiative Gendreck weg!, der im Juli 2007 eine sogenannte "Feldbefreiung" durchführte, also einen Acker mit MON 810-Maispflanzen betrat und diese ausriss, wurde am Donnerstag in einem Prozess am Landgericht Frankfurt/ Oder zu einer Geldstrafe verurteilt.

Aigners Verbot brachte Uneinigkeit in der Fraktion und ließ Forschungsministerin Annette Schavan (CDU) von einer "Verteufelung der Gentechnik-Forschung" sprechen. Paradoxe Verhältnisse sind nichts Neues, seit es Monsantos Maissorten in Deutschland und die Debatte um ihre Zulassung gibt, also seit 2005: Uneinig mit der Gentechnik-fördernden CDU waren BUND, Greenpeace und der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft seit Jahren und erstellten Berichte über schädliche Auswirkungen von Freiland-Pflanzungen mit Gensaaten. Der frühere Landwirtschaftsminister Seehofer war offenbar mit sich selbst uneins – er hatte im Frühjahr 2007 den Vertrieb von MON 810 untersagt, kurz nachdem er ausgesät war. Auf circa 2600 Hektar wuchs dann verbotener Gen-Mais – derselbe, von dem einige Hektar Pflanzen der genannten "Feldbefreiung" von "Gendreck-weg!" zum Opfer fielen.

Bei dem ständigen Gerangel um MON 810 hierzulande – in fünf anderen Ländern wurde er im Verlauf der letzten Jahre verboten – sann Seehofers Verbraucherschutzkabinett auf eine spezielle Lösung: ein Monitoring, das Monsanto seit 2007 zu den Maispflanzungen durchführen sollte, um Fakten über die Folgen zu liefern. Der Monitoring-Bericht des Konzerns, der Ende März erschien, rief wiederum den Protest von Umweltschutzorganisationen auf den Plan.

Laut Stephanie Töwe von Greenpeace sei er "voller Wissenslücken. Er sagt nichts Präzises darüber aus, wie viel BT-Gift von den Maiskolben abgegeben wird, wie es sich auf den Boden auswirkt, und welche Folgen es auf Wasserorganismen und Insekten wie Schlupfwespe und Marienkäfer hat". Schließlich äußerte auch Ministerin Aigner Kritik an dem Monsanto-Bericht, und verordnete den Stop für MON 810.

Indessen wurde Michael Grolm von der Initiative "Gendreck weg!" am Donnerstag zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er MON 810-Mais auf dem Acker eines Landwirtes ausgerissen hatte, und will die Strafe im Gefängnis absitzen. Telepolis sprach mit dem Diplom-Agraringenieur und Berufsimker.

Telepolis: Warum bezahlen Sie Ihre Strafe nicht einfach, sondern gehen in den Bau?

Michael Grolm: Es geht mir ums Prinzip. Ich weigere mich grundsätzlich, die Tätigkeit der Gentech-Industrie anzuerkennen, also weigere ich mich auch, diese Geldstrafe zu zahlen.

Telepolis: Ministerin Aigner spricht nun offiziell von möglichen Gefahren von MON 810 für die Umwelt. Hatte das Auswirkungen auf Ihren Gerichtsprozess?

Michael Grolm: Nein, obwohl der Richter mir einen gewissen persönlichen Zuspruch für mein politisches Engagement gab. Er äußerte sogar, er sähe ein, dass die Imker bei der gegebenen Entwicklung der Agro-Gentechnik schlechte Karten hätten. Also das Verfahren verlief ziemlich locker, muss ich sagen. Aber die Strafe, zu der ich schon früher verurteilt wurde, wurde in diesem Berufungsprozess bestätigt: zwanzig Tagessätze à achtzehn Euro, weil ich im Juli 2007 auf dem Acker eines Landwirtes im Oderbruch MON 810-Mais ausriss. Damals waren wir, mehr als sechzig Personen, nach unserem Sommercamp gegen Gentechnik auf den Acker gegangen. Es war eine von vielen Aktionen, die "Gendreck weg!" seit fünf Jahren gegen die genveränderten Saaten in der Landwirtschaft durchführten. Wegen dieser Aktion hat es auch siebzehn weitere Verurteilungen gegeben.

Telepolis: Wie argumentierte Ihr Anwalt?

Michael Grolm: Ich hatte keinen Anwalt, die kennen sich ja ohnehin alle nicht aus mit Gentechnik…Ich habe mich selbst verteidigt und Paragraph 34 des Strafgesetzbuches auf meine Aktion angewendet – das heißt: Notstand, weil von dem betreffenden Mais eine Gefahr für mich und andere ausging, denn der Mais, obwohl ihn Seehofer, reichlich spät, verboten hatte, war ja nun mal gepflanzt. Doch das wurde von dem Richter nicht anerkannt, der mich wegen Sachbeschädigung verurteilte – übrigens hatten wir keinen großen Sachschaden angerichtet, nur etwa für 20 Euro.

Telepolis: Welche Gefahren gehen denn von dem Mais MON 810 nach Ihrer Ansicht aus?

Michael Grolm: Das BT-Gift, das in den Maiskolben produziert wird, soll den Schädling Maiszünsler abwehren. Abgesehen von der Frage, warum der Schädling nicht auf andere Weise bekämpft werden soll - das ist eigentlich keine Frage, Monsanto hat ein Interesse daran, sich eigene Patente auf diese Schädlingsbekämpfung zu sichern und den Landwirten später seine eigenen Spritzmittel gegen resistente Schädlinge zu verkaufen -, wirkt das BT-Gift zugleich auch aggressiv gegen andere Insekten und bedroht die Artenvielfalt. Zudem werden sich die Pollen von dem Genmais über kurz oder lang verbreiten, da helfen die 150 Meter Abstand zwischen den Feldern gar nichts. Diese sogenannte Sicherheitsmaßnahme von Seehofer war nur ein Witz. Es kann keine "Koexistenz" von Genmaisfeldern und naturbelassenen Feldern geben. Beispielsweise fliegen Bienen in großem Ausmaß auch auf Maisfelder und befördern deren Pollen weiter. Für die Imker heißt das, dass sie keinen gentechnikfreien Honig mehr garantieren können.

Telepolis: Offenbar hatte das Gericht aber einen anderen Begriff von Notstand als Sie…

Michael Grolm: Man argumentierte mir gegenüber, ich hätte den Weg milderer Mittel, wie Demonstrationen, gehabt. Doch das ist nach meiner Ansicht nicht der Fall: Eine Demonstration war nicht geeignet, um diese Gefahr abzuwenden, die ich gegeben sah. Das ist schon paradox: Als Imker mache ich mich strafbar, wenn mehr genveränderte Organismen (GVO) in meinem Honig landen, als die Kennzeichnung nach gesetzlicher Bestimmung – 0,9 Prozent - vorsieht. Dagegen, dass Bienen GVO in den Honig tragen, kann ich nichts ausrichten. Ich mache mich auch strafbar, wenn ich wachsenden Genmais auf den Äckern ausreiße. Doch dabei kann ich wenigstens selbst aktiv werden gegen die Verbreitung von GVO. Da muss ich nicht lange überlegen, welche Option mir bleibt.

Telepolis: Geht es der Initiative "Gendreck-weg!" denn nur um unmittelbare Gefahrenabwehr?

Michael Grolm: Nein, die "Feldbefreiungen" sind ja auch politisch zu verstehen, und wir führen ja auch Demonstrationen durch. Wir hatten außerdem in 2007 gegen Seehofer wegen seines verspäteten Verbots von MON 810 Strafanzeige gestellt. Die Ermittlungen wurden dann aber eingestellt. Wir handeln auf mehreren Ebenen, um die Gesetzgebung gegen Agro-Gentechnik voranzubringen. Das sagte ich auch dem Richter während meiner Verhandlung: Ich finde es schizophren, wenn justizielle Amtsträger zwar eine Berechtigung an unserer politischen Tätigkeit sehen, aber "Feldbefreiungen" wie eine gewöhnliche Sachbeschädigung verurteilen. Wir brauchen Initiativen von Bürgern, auch von Juristen, die selbst Protest gegen die Gentechnik-Lobby einlegen, denn auf solchem Weg werden die besten Gesetze gemacht. Das Verbot, das Ministerin Aigner jetzt eingelegt hat, zeigt das deutlich.

Telepolis: Sie glauben nicht, dass die neuesten Studien ihren Beschluss veranlasst haben?

Michael Grolm: Ach was, Studien von Naturschutzorganisationen zu den schädlichen Auswirkungen von Gentechnik in der Landwirtschaft gibt es schon seit langem. Aigner möchte ins EU-Parlament einziehen, sie muss Glaubwürdigkeit demonstrieren. Der Einbruch von CSU-Wählern bei den Bauern, bei der letzten Landtagswahl, hat eben doch seine Folgen. Vor vier Jahren haben unsere Proteste noch niemanden interessiert, aber mit der Zeit sind mehr Einzelheiten über Agro-Gentechnik bekannt geworden, was vor allem den Basisinitiativen zu verdanken ist.

Telepolis: Dann dürfte die gegenwärtige Entwicklung ihr Gutes für Sie haben - auch wenn Sie irgendwann in den nächsten Monaten in den Bau gehen.

Michael Grolm: Es gibt ja trotzdem noch weiterhin die Betätigungen deutscher Konzerne mit der kommerziellen Verbreitung von GVO, wie Bayer und BASF, ihre Freiversuche etwa mit Gengerste und –kartoffel, gegen die wir protestieren müssen. Agro-Business wird ja nicht nur von Monsanto betrieben, uns bleibt noch viel zu tun.

[Bild: genmais.jpg]

Hinweis: Die Grafik soll keineswegs die ehrenhaften Absichten von Michael Grolm herunterspielen, sondern einen vorhandenen und leider bereits realen (natürlich etwas überzogenen) Sachverhalt darstellen!

Artikel unter: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/30/30157/1.html


RE: "Feldbefreiung" - Ein Gentechnik-Gegner geht ins Gefängnis - Violetta - 19.11.12011

http://www.taz.de/!74482/

Die vermummten Landfreundinnen

Wachleute eingeschlossen, Feld zerstört. Jetzt kam heraus: Die Aktivisten ließen auch Wachdienst-Dokumente mitgehen.

15.07.2011 BERLIN taz | Die Täter kamen nachts, und sie waren vermummt. Ihr Ziel: Die Versuchs- und Demonstrationsanlage für gentechnisch veränderte Pflanzen im sachsen-anhaltischen Üplingen. Einmal auf dem Gelände, nötigten sie laut Polizei einen Wachmann "unter Vorhalt von Pfefferspray", sein Handy herauszugeben. Einen anderen Wächter sollen sie im Wachhaus bedroht haben - damit sie ungestört gentechnisch veränderte Kartoffel-, Weizen- und Maispflanzen aus dem Boden reißen und niedertreten konnten.

So geschehen in der Nacht zu Montag im "Schaugarten Üplingen", einem wissenschaftlichen Besuchsgarten, in dem Interessierte nach Darstellung der Betreiber "Pflanzenforschung erleben", also gentechnisch veränderte Pflanzen anschauen können.

Nun legen sie nach. In einem Bekennerschreiben und einer Dokumentensammlung, die der taz in Kopie vorliegen, dokumentieren die mutmaßlichen Feldzerstörer die Früchte ihres Beutezugs. Demnach haben sie nicht nur – wie die Polizei zu Protokoll gab – 670 Quadratmeter Boden von gentechnisch veränderten Pflanzen befreit, sondern bei ihrer Erstürmung auch Dokumente des Wachdienstes abgeräumt.

Diese anonym zugestellten Dokumentensammlung tauchte nun bei der sogenannten Projektwerkstatt Saasen auf, ein Haus- und Politikprojekt bei Gießen, in dem sich politische Aktivisten wie der bundesweit bekannte Feldbefreier Jörg Bergstedt, die Politaktivistin Hanna Poddig sowie die als "Eichhörnchen" bekannte Kletteraktivistin Cecile Lecomte vernetzen und organisieren.

In dem Schreiben bedanken sich die Urheber des Bekennerschreibens für Vorträge der Initiative über Verflechtungen zwischen Gentech-Konzernen und Genehmigungsbehörden – denn das bunte, anarchisch anmutende Haus in der kleinen Ortschaft ist so etwas wie die Zentrale der radikalen Feldbefreiung, seitdem der Gentechnikgegner Bergstedt vor Jahren mit öffentlichen Protestaktionen, Gerichtsprozessen und bundesweiten Vortragstouren auf die Gefahren der umstrittenen Technologie hinweist.






RE: "Feldbefreiung" - Ein Gentechnik-Gegner geht ins Gefängnis - Hælvard - 19.11.12011

Vielen Dank für den interessanten Artikel.
Man staunt, daß diese Aktion so öffentlich von den Medien publiziert wird.
In den heutigen Zeiten der Trittbrettfahrer und Nachahmer.




RE: "Feldbefreiung" - Ein Gentechnik-Gegner geht ins Gefängnis - Knight - 20.11.12011

Danke auch von mir für den interessanten Artikel.

Allerdings kann man das auch von der folgenden Seite lesen:
Man will diese Aktivisten mit reinziehen und Ihnen die Schuld an dem "Vandalismus" zuschanzen, um härter gegen sie vorgehen zu können.