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Starke Frauen
#8
Zitat:Aurelia stand immer dann in besonderer Zurückhaltung, wenn ihr Mann Gaius Julius in Rom weilte.
War er aber nicht zugegen, ging sie eifrig ihrer Geschäftigkeit nach. Sie unterhielt in der Subura, dem ärmsten Stadtteil in Rom, ein mehrstöckiges Mietshaus, in dem sie selbst lebte. Die Organisation als Vermieterin ging ihr spielend von der Hand. Außerdem kümmerte sie sich um ihre Kinder und mußte dabei den selten anwesenden Vater ebenso ersetzen, wie sie Mutter sein mußte.

In einem Brief an Publius Rutilius Rufus schreibt Sulla:
"Wenn Aurelia in Schwung kommt, steht die ganze Männerwelt Kopf. Helena von Troja hätte ihr schwerlich das Wasser reichen können."

Ah, noch ein Aurelia-Freund, wie vor zweitausend Jahren also. Ogrins

Aurelia war eine ganz besondere Frau; sehr weiblich, aber auch sehr rational; diszipliniert und eisenhart zu sich selbst, aber vor allen Dingen ihrem Sohn Cäsar gegenüber; mit einem ausgezeichneten gesundem Menschenverstand, der es ihr erlaubte Dinge wahrzunehmen, die selbst Gaius Julius Cäsar immer wieder in Erstaunen versetzte. Er ging deshalb immer gerne zu Aurelia, um sich von ihr in allen möglichen Lebenslagen, seien sie politischer oder persönlicher Natur, beraten zu lassen. Klug wie sie war, konnte man ihr immer die "Bälle" gut zuspielen. Aurelia verdient es, daß man sich mit ihr näher beschäftigt...


Aurelia Cotta

Aurelia wuchs in wahrhaft faszinierenden Verwandschaftsverhältnissen auf: Von der Seite ihres Vaters hatte sie einen älteren Halbbruder und von der Seite ihrer Mutter drei jüngere Halbbrüder, die gleichzeitig ihre Vettern waren, da ihr Vater deren Onkel gewesen wäre und ihr Onkel Marcus gleichzeit deren Vater war. (Als Aurelia fünf Jahre alt war, starb ihr leiblicher Vater, nur wenige Tage nach Ablauf seiner Amtszeit als Konsul. Seine junge Witwe – Rutilia war gerade vierundzwanzig – suchte Trost bei Lucius Cottas jüngeren Bruder Marcus. Sie entdeckten ihre Liebe füreinander, und mit der Erlaubnis ihres Vaters und ihres Bruders heiratete Rutilia elf Monate nach dem Tod von Lucius ihren Schwager.)
Die Familie wuchs schnell, und Aurelia blieb das einzige Mädchen in der Familie.
Die Verwandschaftsverhältnisse waren besonders für Uneingeweihte äußerst verwirrend, vor allem, wenn die Kinder sie erklärten.

Sie ist meine Cousine, sagte Gaius Cotta und zeigte auf Aurelia.

Er ist mein Bruder, erwiderte Aurelia und zeigte auf Gaius Cotta.

Er ist mein Bruder, meinte Gaius Cotta und wies auf Marcus Cotta.

Sie ist meine Schwester, fuhr Marcus Cotta nun fort und deutete auf Aurelia.

Er ist mein Vetter, sagte Aurelia schließlich und zeigte auf Marcus Cotta.

Sie konnten Stunden damit weitermachen, bis den Besuchern der Kopf schwirrte. Die verwirrenden Verwandtschaftsverhältnisse belasteten die selbstbewußten und eigenwilligen Kinder nicht im geringsten – sie liebten einander und kamen gut miteinander aus, und alle genossen die liebevolle Zuwendung ihrer Eltern, die eine sehr glückliche Ehe führten.
Die Meute, die unter dem Dach des Marcus Aurelius Cotta und seiner Frau Rutilia lebte, war ziemlich reich, und zudem sahen alle sehr gut aus. Aurelia war zweifellos die Hübscheste von allen.

Makellos!, fand Lucius Licinius Crassus Orator, einer ihrer glühendsten Bewunderer und einer der wichtigsten Bewerber um ihre Hand.

Herrlich!, schwärmte Quintus Mucius Scaevola, Crassus Cousin und bester Freund. Er hatte sich ebenfalls auf die Lister der Freier setzen lassen.

Aufregend!, sagte Marcus Livius Drusus. Er war Aurelias Vetter und wollte sie unbedingt heiraten.

Helena von Troja, nannte Gnaeus Domitius Ahenorbabus der Jüngere sie, als er um ihre Hand anhielt.

Die Situation war verzwickt, ganz Rom wollte Aurelia heiraten. Daß einige der Bewerber bereits verheiratet waren, spielte keine Rolle. Eine Scheidung war einfach, und Aurelias Mitgift war so groß, daß kein Mann Bedenken haben mußte, die Mitgift seiner früheren Frau zu verlieren.

Ich komme mir vor wie König Tyndareus, den jeder wichtige Prinz oder König um Helenas Hand bittet, sagte Marcus Aurelius zu seiner Rutilia.
Er hatte Odysseus, um das Problem zu lösen, erwiderte sie.
Nun, ich wünschte ich hätte auch einen Odysseus! Egal, wem ich sie gebe, ich werde alle beleidigen, die sie nicht bekommen.

Doch dann erschien Marcus Cottas Odysseus in Gestalt von Publius Rutilius Rufus.
Nachdem die Kinder einschließlich Aurelia zu Bett gegangen waren, wandte sich die Unterhaltung wie so oft Aurelias Heirat zu. Rutilius lauschte interessiert.

Es ist doch ganz einfach, Marcus Aurelius, sagte er.
Erleuchte meinen Verstand, Odysseus!
Nun ich sehe keinen Grund, wie Odysseus ein Lied darüber zu singen oder zu tanzen. Wir leben im modernen Rom, nicht im alten Griechenland. Wir können nicht einfach ein Pferd schlachten, es in vier Stücke teilen und alle Freier darauf stellen, damit sie dir den Treueid schwören, Marcus Aurelius.

Wie romantisch die alten Griechen doch waren. Nein, Publius Rutilius, ich fürchte wir haben es mit einem ganz andern Schlag zu tun - mit einer Reihe von streitsüchtigen, verbissenen Römern.Komm, Bruder, erlöse uns und erzähle uns von Deiner Idee, drängelte Rutilia.

Wie ich schon sagte, meine liebe Rutilia, ganz einfach. Aurelia soll sich ihren Ehemann selbst aussuchen.

Cotta und seine Frau starrten ihn verblüfft an.
Meinst du wirklich, daß das klug wäre? fragte Cotta.
In dieser Lage kann Klugheit nicht weiterhelfen, was habt ihr also zu verlieren?, entgegnete Rutilius Rufus. Ihr habt es nicht nötig, Aurelia mit einem reichen Mann zu verheiraten. Auf eurer Liste gibt es keine notorischen Mitgiftjäger, beschränkt also ihre Wahl auf die Liste. Es ist unwahrscheinlich, daß die Familie der Aurelier, der Julier oder der Cornelier gesellschaftliche Emporkömmlinge anziehen. Und schließlich besitzt Aurelia eine gehörige Portion gesunden Menschenverstand, sie ist absolut nicht sentimental und ganz bestimmt nicht romantisch. Sie wird euch nicht enttäuschen, nicht meine Aurelia!

Du hast recht, sagte Cotta und nickte.
Es gibt keinen Mann, der Aurelia den Kopf verdrehen könnte.

Und so riefen Cotta und Rutilia Aurelia am nächsten Tag in Rutilias Wohnraum und eröffneten ihr, was sie beschlossen hatten.

Sie kam herein, weder schlendernd noch mit der Hüfte wackelnd, ihre Schritte waren weder zu lang noch trippelnd. Aurelia hatte einen stolzen, aufrechten Gang, ihre Bewegungen waren präzise und zielbewußt, sie hielt Rücken und Schultern gerade, den Kopf erhoben. Ihre Figur war vielleicht etwas schmal, denn sie war groß und hatte nur kleine Brüste. Sie trug Gewänder von untadeliger Eleganz und verachtete hochhackige Korkabsätze und auffallenden Schmuck. Ihr dichtes, glattes, dunkelblond schimmernendes Haar war in einem schlichten Knoten auf dem Hinterkopf zusammengefaßt, so daß ihr Gesicht dem Betrachter ohne schmückenden Rahmen dargeboten wurde.
Es gab viele Diskussionen was genau Aurelias Reiz ausmachte. Manche sagten, es seien diese nachdenklichen violetten Augen, andere meinten, es sei die bemerkenswerte Reinheit ihrer Haut, wieder andere gaben der Klarheit ihrer Gesichtszüge den Vorzug.

Es ist nichts davon und doch alles zugleich, ihr Narren!, knurrte Lucius Licinius Crassus Orator.

Sie ist eine vestalische Jungfrau, die frei herumläuft, sie ist Diana, nicht Venus! Unerreichbar! Und darin liegt ihre Faszination.

Nein, es sind diese veilchenblauen Augen, widersprach ihm Scaurus.
Violett – die edelste der Farben. Sie ist ein lebendes, atmendes Omen.

Als das lebende, atmende Omen den Wohnraum betrat, so ruhig und makellos wie immer, verbreitete es keinerlei dramatische Atmosphäre – Aurelia hatte keinen Hang zum Theatralischen.

Setz dich, Tochter, sagte Rutilia.
Aurelia nahm Platz und faltete die Hände im Schoß.
Wir wollen über Deine Heirat mit dir sprechen, begann Cotta und räusperte sich. Er hoffte, sie würde ihm helfen, einen Anfang zu finden, doch Aurelia sah ihn nur höflich interessiert an.

Wie denkst du darüber?, fragte Rutilia.
Aurelia kräuselte die Lippen und zuckte mit den Schultern.
Nun, ich hoffe ihr werdet jemanden aussuchen, den ich mag.
Das hoffen wir auch, versicherte Cotta.
Gibt es jemanden, den Du nicht magst?, fragte ihre Mutter.
Gnaeus Domitius Ahenorbabus den Jüngeren, erwiderte Aurelia ohne zu zögern.
Cotta verstand das voll und ganz. Sonst noch jemand? fragte er.
Marcus Aemilius Scaurus den Jüngeren.
Oh, wie schade!, rief Rutilia. Ich finde ihn sehr nett.
Ich gebe zu, er ist nett, meinte Aurelia. Aber er ist schüchtern.
Cotta versuchte nicht sein Grinsen zu verbergen.
Hättest Du nicht gern einen schüchterne Ehemann, Aurelia? Du wärst die Herrscherin im Hause.
Eine gute römische Ehefrau beherrscht ihren Ehemann nicht.

Nun, soviel zu Scaurus. Aurelia hat gesprochen.
Cotta bebte vor unterdrücktem Lachen. Sonst noch jemand, der Dir nicht gefällt?

Lucius Licinius.
Was stört Dich bei ihm?
Er ist fett.
Nicht gerade anziehend, hm?
Es zeigt einen Mangel an Selbstdisziplin, Vater.

Manchmal redete Aurelia Marcus mit Vater an, manchmal nannte sie ihn Onkel. Das richtete sich immer streng nach logischen Gesichtspunkten: War es deutlich, daß Cotta die Vaterstelle vertrat, war er “Vater”, handelte er in einer verwandschaftlichen Rolle, war er “Onkel”.

Du hast recht, das tut es, meinte Cotta.
Gibt es einen Bewerber, dem du den Vorzug vor den anderen geben würdest? versuchte Rutilia eine neue Taktik.

Nein, Mutter, eigentlich nicht. Es ist mir ganz recht, wenn ihr entscheidet, du und Vater.
Was erhoffst Du Dir von der Ehe?
Einen Ehemann, der meinen Rang entspricht - und dessen Rang ich entspreche – wohlgeratene Kinder.

Eine Antwort wie aus dem Lehrbuch, sagte Cotta. Du kannst dich in die erste Reihe setzen.
Rutilia warf ihrem Gatten einen belustigten Blick zu. Sag es ihr, Marcus Aurelius.

Cotta räusperte sich noch einmal. Nun, Aurelia, du bereitest uns ein wenig Kopfzerbrechen. Bei der letzen Zählung waren es siebenunddreißig Bewerber auf der Liste. Keiner dieser hoffnungsvollen Freier kann als ungeeignet angesehen werden. Einige von ihnen stehen im Rang über uns, einige sind reicher als wir, ein paar sind sogar vornehmer und reicher! Das bringt uns in eine mißliche Lage. Wenn wir Dir einen Gatten aussuchen, werden wir uns viele Feinde machen, weil wir viele abweisen müssen. Das ist für uns nicht weiter schlimm, aber wir müssen an die Zukunft Deiner Brüder denken. Das verstehst du sicher.

Natürlich, Vater, sagte Aurelia ernsthaft.
Nun, dein Onkel Publius hat uns den einzig vernünftigen Weg aus diesem Dilemma gezeigt – du wirst Deinen Gatten selbst auswählen, meine Tochter.

Aurelia schaute ihn entgeistert an. Ich?
Du.

Sie preßte ihre Hände an die geröteten Wangen. Aber das geht nicht, rief sie. Das ist – das ist nicht römisch!
Ich stimme Dir zu. Es ist ganz und gar nicht römisch. Es ist rutilisch.

Oh!, Aurelia rang die Hände. Nein!
Was ist denn, Aurelia? Warum glaubst du, daß du die Entscheidung nicht treffen kannst?, fragte Rutilia.
Nein, das ist es nicht, antwortete Aurelia und wurde abwechselnd rot und blaß. Es ist nur ... nun.. Sie erhob sich. Kann ich gehen?
Natürlich.

An der Tür wandte sie sich um und sah Rutilia und Cotta ernsthaft an.
Wie lange habe ich Zeit, um meine Entscheidung zu treffen?
Oh, das hat keine Eile, meinte Cotta leichthin. Du wirst zwar Ende Januar achtzehn, aber du mußt nicht sofort heiraten, nur weil du das entsprechende Alter erreicht hast. Laß dir Zeit.

...
Im A & O das Geheimnis liegt - Omega siegt!
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[Kein Betreff] - von Inara - 17.03.12006, 12:43
RE: Starke Frauen - von Paganlord - 23.11.12011, 00:09
RE: Starke Frauen - von Hælvard - 04.12.12011, 13:24
RE: Starke Frauen - von Hælvard - 25.06.12017, 18:04
[Kein Betreff] - von Saxorior - 17.03.12006, 18:22
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[Kein Betreff] - von Slaskia - 31.03.12006, 18:14
Re: Starke Frauen - von Hernes_Son - 18.04.12010, 20:05
Re: Starke Frauen - von Hælvard - 21.04.12010, 12:29
Re: Starke Frauen - von Hernes_Son - 21.04.12010, 19:57
Re: Starke Frauen - von Rahanas - 09.05.12010, 17:31
Re: Starke Frauen - von Hernes_Son - 19.05.12010, 00:52
Re: Starke Frauen - von Maurynna - 21.08.12010, 23:07
Re: Starke Frauen - von Wishmaster - 22.08.12010, 01:17
Re: Starke Frauen - von Maurynna - 22.08.12010, 09:48

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